Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0042-102318
Unerfüllter Kinderwunsch aus gynäkologisch-psychosomatischer Perspektive
Publication History
Publication Date:
22 June 2016 (online)


Ungewollte Kinderlosigkeit führt nicht selten zu einer Lebenskrise. Bestehen bereits unabhängig vom aktuellen „Life Event“ im Vorfeld unbehandelte psychische Störungen, ist mit einer erhöhten Vulnerabilität und einer Zuspitzung der psychischen Symptomatik zu rechnen [52].
Psychische Belastungen sollten frühzeitig erkannt und im Falle von psychischen Störungen dringend psychotherapeutisch behandelt werden. Bisweilen ist währenddessen ein Pausieren der Kinderwunschbehandlung sinnvoll, insbesondere bei ausgeprägten Erschöpfungszuständen. Ambulante Kriseninterventionen, oft sinnvoll als Paarinterventionen, sind bei leichteren Störungen, wie Anpassungsstörungen, leichter bis mittelgradiger depressiver Episode und leichter Angststörung indiziert. Bei schwerwiegenden Störungen ist eine längerfristige ambulante Psychotherapie oder eine teil-/stationäre psychosomatische Behandlung, bei schwersten Störungen, wie akute Suizidalität, Psychose oder Suchterkrankungen, eine stationäre psychiatrische Behandlung indiziert.
Zu berücksichtigen im Umgang mit den Betroffenen ist, dass unerfüllter Kinderwunsch ein kritisches Lebensereignis darstellt. Bereits vor und während einer Kinderwunschbehandlung kann es daher für das Paar bedeutsam sein, Ressourcen und gemeinsame Interessen zu stärken und damit den Blick auch für alternative, sinngebende Lebensperspektiven zu öffnen. Dies trifft v. a. auf Situationen zu, in denen eine Vielzahl an Kinderwunschtherapien durchgeführt wurde, ohne dass eine Schwangerschaft eingetreten ist bzw. nach mehrfachen Fehlgeburten. Eine ergebnisoffene, gelassene Haltung dem ersehnten Kind gegenüber kann in jedem Fall zur Verbesserung der Lebensqualität führen. Treten Schwangerschaft und Geburt eines (gesunden) Kindes darüber hinaus ein, ergibt sich ein weiterer in die Zukunft wirkender konstruktiver Begleiteffekt für das Paar und auch für das Kind: Das Kind ist nicht mehr das einzig Sinnstiftende. Dies wiederum ist für vielfältige Entwicklungen der Familie als positiv zu werten.
Deutschlandweit gibt es ein Beratungsnetzwerk (BKID) für Paare, Männer und Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch. Hier engagieren sich neben Ärzten und Psychologen auch Sozialpädagogen und Juristen, um Betroffene individuell zu beraten und ggf. zu behandeln [1]. Eine entsprechende Kontaktliste ist unter www.bkid.de frei zugänglich.
Wir sind nach Jahren klinischer Erfahrung und sehr konstruktiver Zusammenarbeit zwischen Gynäkologie und gynäkologischer Psychosomatik daher der Überzeugung, dass ein guter interdisziplinärer ärztlicher Dialog mit professioneller Expertise unabdingbar ist, um Patientinnen und ihren Partnern individuelle Therapieoptionen anbieten zu können.