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DOI: 10.1055/s-0042-104976
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Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
07. Juni 2016 (online)
Krankenhausfinanzierung: Pflege hat verloren!
2004 wurde die Krankenhausfinanzierung in Deutschland grundsätzlich umgestellt. Seither gelten diagnosebezogene Fallpauschalen, d. h. Krankenhäuser bekommen heute pro Diagnose und Fall ein definiertes Entgelt. Vor dem Hintergrund dieses sogenannten DRG-Systems hat eine massive Verschiebung beim Personal und den Kosten insbesondere von der Krankenhauspflege auf die Ärzteschaft stattgefunden. Auf diesen Missstand hat Prof. Frank Weidner, Leiter des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e. V. (dip), auf dem Deutschen Pflegetag 2016 in Berlin in einem Vortrag hingewiesen.
Demnach hat es in den zehn Jahren von 2004 bis 2014 in den verbliebenen rund 1.640 allgemeinen Krankenhäusern (- 10 %) einen Zuwachs von rund 31.500 Vollzeitstellen für Ärzte gegeben (+ 28 %). Bei der Pflege betrug der Anstieg lediglich 6.400 Vollzeitstellen (+ 2,3 %), wobei es in den Jahren zuvor bereits einen massiven Stellenabbau in der Pflege um mehrere zehntausend Stellen gegeben hatte. Die Personalkosten pro vollzeitbeschäftigten Arzt sind seit 2004 um 32.300 Euro (+ 38 %) gestiegen, bei der Pflege lediglich um 7.700 Euro pro Vollzeitkraft (+ 17 %). Bezieht man die Inflationsrate für den Zeitraum in die Betrachtung mit ein (+ 19 %), sind die Personalkosten in der Pflege sogar gesunken.
Somit verwundert es auch nicht, dass die Gesamtpersonalkosten für die Ärzteschaft in diesen zehn Jahren um 7,3 Mrd. Euro (+ 76 %) angestiegen sind. Bei der Pflege betrug der Anstieg rund 2,5 Mrd. Euro (+ 19 %). Erstmals lagen im Jahr 2012 die Personalkosten der Ärzteschaft im Krankenhaus über denen der Pflege. Bereits 2014 gaben die allgemeinen Krankenhäuser rund 1,4 Mrd. Euro mehr für alle Mediziner als für alle Pflegefachkräfte aus.
Weidner: „Hätte man die Pflege im Krankenhaus seit 2004 so wie die Ärzteschaft entwickelt, dann würden heute zusätzliche 73.000 Vollzeitstellen für Pflegekräfte in den allgemeinen Krankenhäusern zur Verfügung stehen. Die Personalkosten für die Pflege würden um rund 7,4 Mrd. höher liegen und eine Pflegefachkraft würde rund 20 % mehr verdienen.“ Pro Krankenhaus wären das rund 45 Stellen in der Pflege, d. h. pro Station rund drei Stellen. Die Pflegeausdünnung hat Folgen sowohl für die Pflegenden, was sich in einem erhöhten Krankenstand und in Frühverrentungen zeigt, als auch für Patienten. Das dip hat in Studien wiederholt auf den Zusammenhang der problematischen Personalsituation und der Risiken in der Versorgungsqualität der Krankenhauspflege hingewiesen.
Als Gründe für die massiven Stellen- und Kostenverschiebungen lassen sich sowohl rechtliche, ökonomische als auch berufspolitische Gründe finden. Neben den arbeitszeitrechtlichen Veränderungen bei den Ärzten spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass die Ärzteschaft in den Krankenhäusern seit 2006 von einer eigenen Gewerkschaft (Marburger Bund) in den Tarifverhandlungen vertreten wird. Weidner: „Hier ist zum einen die Politik gefordert, dem Exodus der Pflege aus dem Krankenhaus einen Riegel vorzuschieben. Aber noch wichtiger ist es, dass sich die im Krankenhaus beschäftigten Pflegenden endlich besser organisieren und massenhaft in Berufsverbänden und Gewerkschaften eintreten.“
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen schätzt Weidner das von der Bundesregierung jüngst beschlossene Pflegestellen-Förderprogramm für die Jahre 2016 bis 2018 im Umfang von insgesamt 660 Mio. Euro als absolut nicht hinreichend ein. Bedeutsamer ist aber nach seiner Einschätzung noch, mit funktionierenden Verfahren und Instrumenten dafür zu sorgen, dass zusätzliches Geld für die Pflege im Krankenhaus wirklich bei der Pflege ankommt. „Wir brauchen eine Personalverordnung in der Pflege, die sich im Kern nach der Zahl der zu versorgenden Patienten und ihrem Pflegebedarf richtet und festlegt, wie viele Pflegefachkräfte sich um wie viele Patienten kümmern müssen“, so Weidner.
Dass dies keine utopische Forderung ist, zeigt ein Blick in die europäischen Nachbarländer. Einer großen internationalen Studie zufolge schneidet Deutschland im Zahlenverhältnis Pflegefachkräfte pro Patienten gemeinsam mit Spanien am schlechtesten ab. Während in Deutschland im Durchschnitt eine Pflegefachkraft für 10,3 Patienten zuständig ist, sind es in Großbritannien 7,7, in der Schweiz 5,5, in den Niederlanden 4,9 und in Norwegen 3,8 Patienten (Durchschnitt 1 zu 7,2).
Quelle: dip – Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e. V.