neuroreha 2016; 08(02): 49
DOI: 10.1055/s-0042-106110
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Messer sind besser! Aber wie stimulieren wir die Benutzung von Assessments?

Jan Mehrholz
,
Martin Lotze
,
Klaus Starrost
,
Geert Verheyden
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
10. Juni 2016 (online)

Therapeuten sollten ihre Patienten mittels standardisierter Messinstrumente messen. Aber für Therapeuten gibt es eine ganze Reihe an Barrieren zur Nutzung von standardisierten Assessmentinstrumenten. Eine systematische Übersichtsarbeit zu solchen Barrieren und zur Einrichtung von Routinemessinstrumenten verschiedener Gesundheitsberufe [1] fand heraus, dass vor allem das Level der Professionalität und das Wissenslevel sowie das Vertrauen zur Nutzung von standardisierten Messinstrumenten wichtige Schlüsselbarrieren sind. Aber welche Schritte können unternommen werden, um diese Barrieren zu beseitigen?

Sicherlich zunächst einmal spezifische Ansätze in Ausbildungs- und Hochschulprogrammen, die die Grundlage zur Nutzung von standardisierten Messinstrumenten bilden sollten. Aber auch spezifische Kurse zur Vermittlung von Theorie und Praxis standardisierter Messinstrumente sollten für bereits ausgebildete Physiotherapeuten vorhanden sein. Therapeuten finden es eventuell schwierig, Messinstrumente zu recherchieren und die wichtigsten Messinstrumente für die klinische Anwendung nach wissenschaftlichen Kriterien auszuwählen. Allerdings gibt es dafür mittlerweile Hilfe durch eine ganze Reihe an Literatur, wie systematische Übersichtsarbeiten für Assessmentinstrumente für spezifische Patientengruppen sowie online gestellte Leitfäden bzw. Links (z. B. http://www.assessment-info.de/assessment/seiten/default.asp vom Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der Deutschen Sporthochschule Köln), aber auch verständliche Bücher [2], die eine breite Übersicht über standardisierte Messinstrumente geben.

Vielleicht könnten Therapieverbände oder andere Interessengruppen gemeinsam beispielsweise Videos auf z. B. YouTube zu standardisierten Messinstrumenten installieren und somit Therapeuten das Spektrum an Assessments näherbringen und Standardisierung fazilitieren.

Letztlich könnten die Kenntnis und das Vertrauen in den Nutzen von Messinstrumenten in der klinischen Praxis über den Wert einer klinischen Skala hinausführen. Zum Beispiel ist es sehr oft so, dass Messinstrumente mehr als nur Informationen über Gesamtdefizite eines Patienten bereithalten. Wenn wir uns die Berg-Balance-Skala mit ihren 14 Items anschauen, die sehr gut bekannt und verbreitet ist, kann man feststellen, dass diese Skala deutlich mehr spezifische Patientenprobleme erkennen lässt als ein reiner Balance-Score. Zum Beispiel Trennwerte zur Vorhersage zukünftiger Ereignisse wie Sturzrisiko oder Items für eher statische oder dynamische Balance. Ein detaillierter Blick mittels einer Skala kann ein Problemgebiet identifizieren, zu einem besseren Fokus und therapeutischen Ansatz und damit potenziell zu einer besseren Behandlung und größeren Verbesserung in der Patientenleistung führen. Genau das meinen wir, wenn wir sagen: „Messer sind besser.“

Viele neue Denkanstöße wünscht Ihnen

Geert Verheyden

 
  • Literatur

  • 1 Duncan EAS, Murray J. The barriers and facilitators to routine outcome measurement by allied health professionals in practice: A systematic review. BMC Health Serv Res 2012; 12: 96
  • 2 Schädler S, Kool J, Lüthi H et al. Assessments in der Rehabilitation. Band 1: Neurologie Bern: Huber; 2012