Ernährung & Medizin 2016; 31(02): 49
DOI: 10.1055/s-0042-106686
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Haug Verlag in Georg Thieme Verlag KG Stuttgart

Editorial

„Die Leber wächst mit ihren Aufgaben.“ (Eckart von Hirschhausen)
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Publication Date:
20 June 2016 (online)

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Kein Zweifel: Die Leber ist mit bis zu 2 kg die größte Drüse des Körpers – jedenfalls im physiologischen Zustand. Mutet man ihr aber zu viele Aufgaben zu, so kann sie bei einer Steatosis hepatis pathologisch leicht die doppelte Größe annehmen. Eine Hepatitis – sei sie viraler oder nicht-viraler Genese – geht in bis zu 14 % in eine Zirrhose über. Und als finaler Endpunkt droht dann das Leberkarzinom, wovon immerhin jeder Vierte mit Zirrhose betroffen ist.

Die Leber ist ein wichtiges Speicherorgan (u. a. Blut, Stärke und Vitamine wie B12 oder D), neben der Niere das wichtigste Entgiftungsorgan (Schadstoffe aus Natur, Industrie oder Apotheke werden über die Galle ausgeschieden oder in eine wasserlösliche und damit nierengängige Form verwandelt) und als Syntheseorgan eine wahre natürliche Chemiefabrik (u. a. Gerinnungsfaktoren, Eiweiße, Stärke, Zucker). Da ist es schon erstaunlich, dass die konventionelle Medizin diesem „lebens“-wichtigen Organ im wahrsten Sinne des Wortes („Leber“ im Deutschen und „liver“ im Englischen) so wenig Beachtung zuteilwerden lässt.

Gibt es eigentlich noch den Schwerpunkt der Inneren Medizin mit Namen „Hepatologie“? Während Gebiete wie Gastroenterologie oder Kardiologie einen wahren Boom feiern, dümpelt die Hepatologie – so sie überhaupt noch gelehrt wird – doch recht still vor sich hin. Vielleicht liegt dies daran, dass es in der Roten Liste zwar ein eigenes Kapitel „Hepatika“ gibt, aber schauen Sie sich die Medikamente doch einmal an. Es gibt zahlreiche Phytotherapeutika, viele Homöopathika und einige Orthomolekularia – aber kein einziges patentierfähiges Pharmakon. Vielleicht ist das der Grund für den Niedergang der Hepatologie – die Pharmaindustrie hat schlichtweg kein Interesse daran (teure Virostatika und Biologika für virale Hepatitiden stehen in ganz anderen Kapiteln).

Diese Ausgabe soll Ihnen einen Überblick über wichtige Lebererkrankungen geben. Die unterschätzte „Volkskrankheit nichtalkoholische Fettleber“ wird angemessen behandelt. Und was Sie mit dem Nährstoff Omega-3-Fettsäuren bei chronischer Hepatitis C bewirken können, werden Sie auch erfahren. Nicht-Leber-Themen wie Multiple Sklerose, Restless Legs oder Nährwertprogramme runden dieses Heft ab.

Ich behaupte allen Ernstes: Je komplexer ein Organ, ein System oder eine Krankheit ist, umso weniger werden monokausale Lösungen greifen. Vielmehr ist hier wirklich ganzheitliches Denken und Handeln gefragt. Die Leber und ihre Störungen sind geradezu ein Paradebeispiel dafür.

In der Hoffnung, dass Ihnen beim Lesen dieser Leber-Ausgabe keine Laus über selbige läuft, wünsche ich Ihnen viel Spaß und Erkenntnisgewinn.

Herzlichst,

Dr. Volker Schmiedel

Paramed/Baar (Schweiz)

v.schmiedel@paramed.ch