Zeitschrift für Phytotherapie 2016; 37(03): 93-94
DOI: 10.1055/s-0042-108993
Editorial
© Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

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26 July 2016 (online)

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Diese Zeitschrift kennt und widmet sich der Phytotherapie, bislang aber nicht einer Phytoprävention. Das Wort selber ist im Übrigen derzeit unüblich, vielleicht Zeit es einzubürgern! Praevenire heißt bekanntlich „vorher kommen“, auch „zuvorkommen“ - welch edle Aufgabe für jedes medizinische Fachgebiet! Mit diesem Heft versuchen wir, Ihnen die präventiven Möglichkeiten der Pflanzenheilkunde etwas näherzubringen.

Als ersichtlich wurde, dass Therapiekosten aus verschiedenen Gründen - insbesondere zunehmender Lebenserwartung und höheren Ansprüchen an die Versorgung - die Gesundheitskosten in allen westlichen Ländern ansteigen lassen, tauchte die Zauberformel der Prävention auf. Die Medizin erlebte hier bereits vor ca. drei Dekaden einen konzeptionellen Ruck, der aber nur sehr langsam praktische Maßnahmen nach sich zog. Trotz großer Bemühungen waren etwa vor Einführung der Vorsorge-Koloskopie kaum messbare Erfolge aus medizinischen Maßnahmen im engeren Sinne zu verzeichnen. Die größten durch Prävention erzielten Gesundheitsgewinne der letzten Dekaden wurden allenfalls auf Anstöße aus der Medizin in ganz anderen Bereichen verzeichnet, so der Reduktion von Gesundheitsschäden im Erwerbsleben und durch Rauchen sowie der Zahl der Verkehrstoten.

Mit der Prävention scheint es in der praktischen Umsetzung in der tagtäglichen Medizin trotz vieler einleuchtender Konzepte etwas schwieriger. Das Präventionsgesetz brauchte knapp 10 Jahre, bis es nach Überarbeitung durch mehrere Bundesregierungen und ihre entsprechenden Gesundheitsminister 2015 Realität wurde. Neben der Länge des Zeitraumes ist bemerkenswert, dass hier von Anfang an durch eine Art Kollekte auf hohem Niveau nach einem bemerkenswerten Konsensprozess der Kostenträger eine stattliche Geldmenge zur Verfügung stand.

Was bleibt für die Pflanzenheilkunde zu tun? Die Ziele möglicher präventiver Wirkungen reichen von dem sehr populären banalen Infekt bis zu bedrohlichen Erkrankungen wie Makuladegeneration und Demenz (s. Übersichtsbeitrag Kraft S. 96). Trotz aller Diskussionen über Rückenschmerzen und psychosomatische Erkrankungen bleiben Erkältungskrankheiten nach wie vor der Hauptgrund für die Konsultation eines Hausarztes in Deutschland und eine möglicherweise daraus resultierende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Wir versuchen, etwas Licht in die seit Langem durch verschiedenste Daten gespeiste Diskussion über die Reduktion des gesamten Impakts von Banalinfekten auf Lebensqualität wie sozialmedizinische Folgen zu bringen. Auch hier steckt wie oft in der Phytotherapie der Teufel im Detail, sprich der Auswahl der Pflanzenspezies und ihrer Teile sowie deren Aufbereitung. Hier stehen exemplarisch Sonnenhut-Präparationen im Vordergrund (Beitrag Schapowal S. 100).

Ernährung - Gewürze - pflanzliche Heilmittel stellen ein gewisses Kontinuum dar. Dass Pfeffer, Basilikum, Liebstöckel, Thymian, Curcuma, Ingwer, Zimt und wie sie alle heißen mögen auch therapeutische Eigenschaften aufweisen, wurde auf diesen Seiten immer wieder berichtet. Da der durchschnittliche Kostgänger bei uns, also in einem mit Gewürzen eher sparsam umgehenden Land und seiner Küche, summiert immerhin gut 1 Gramm pro Tag zu sich nimmt, lässt natürlich leicht an präventive wie therapeutische Möglichkeiten denken. Anbaumöglichkeiten und Qualitätssicherung der Endprodukte sind elementare Voraussetzungen, um Gewürze verstärkt auch präventiv nutzen zu können (s. Beiträge S. 105 und 109).

Diese Entwicklungen sind an der Naturheilkunde generell und der Phytotherapie im speziellen bislang etwas spurlos vorbeigegangen. Das kann und muss sich ändern! Wir hoffen, Ihnen an dieser Stelle künftig regelmäßig von Fortschritten berichten zu können!

Mit dem jüngsten Supplement-Heft haben Sie wie üblich die Abstrakts des diesjährigen Kongresses der Gesellschaft für Phytotherapie erhalten, der als trinationaler Kongress mit den österreichischen und schweizerischen Gesellschaften erstmalig in Deutschland unter dem Motto „Extraktentwicklung - Klinik - Versorgungsforschung“ stattfand. Damit schließt sich der oben angedachte Kreis. Ein ausführlicher Kongress-Bericht folgt im nächsten Heft. Wir freuen uns, dass dieser Kongress unter reger Beteiligung viele bislang nicht publizierte Originaldaten präsentierte, die die Phytotherapie in jedem Fall zur Sicherung ihrer gegenwärtigen Position, ganz zu schweigen von deren Erweiterung dringend benötigt. Wir bitten Sie um kritische Lektüre des Supplements auch unter dem Blickwinkel der Thematik des Ihnen nun vorliegenden Heftes!

Herzlichst

Ihr

Rainer Stange