Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(04): 145
DOI: 10.1055/s-0042-110710
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Neonatologie
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Nekrotisierende Enterokolitis – Beeinflusst die Zusammensetzung der Darmflora das Risiko?

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Publication Date:
29 August 2016 (online)

Hintergrund: Eine nekrotisierende Enterokolitis (NEC) tritt bei bis zu 10 % aller Frühgeborenen auf und ist mit einer hohen Sterblichkeit von ca. 25 % belastet. Die Ursachen werden kontrovers diskutiert, die Darmflora scheint aber an der Pathogenese beteiligt. US-amerikanische Wissenschaftler legen jetzt eine umfangreiche Untersuchung dazu vor. Ein Überwiegen von Mikroorganismen aus der Klasse der Gammaproteobacteria und eine Verminderung des Anteils obligater Anaerobier in der Darmflora gehen dem Auftreten einer NEC bei sehr kleinen Frühgeborenen voraus. Zu diesem Ergebnis kommen Barbara Warner und ihre Kollegen, die 166 Kinder in ihre prospektive Fall-Kontroll-Studie aufgenommen haben.

Methoden: Einschlusskriterien umfassten ein Geburtsgewicht unter 1500 g und Behandlung auf der Neugeborenenintensivstation eines von 3 US-amerikanischen Zentren. Dabei wurde eine erste Kohorte von Juli 2009 bis September 2013 generiert (n = 122), eine zweite Kohorte zwischen September 2011 und Mai 2013 (n = 44). Bei den Kindern wurden sämtliche Stühle ab Aufnahme auf die Intensivstation gesammelt und tiefgefroren.

Aus den Stuhlproben wurde DNA extrahiert, und die Forscher identifizierten mittels Sequenzierung des 16S-rRNA-Gens die vorhandenen Mikroorganismen; dabei unterschieden sie 4 Zeiträume: Tag 1–15, Tag 16–29, Tag 31–45 und Tag 46–60 bzw. bis zu dem Tag, an dem eine NEC diagnostiziert wurde. Die Zusammensetzung der Darmflora wurde dann zwischen der von Kindern, die eine NEC Stadium 2 oder 3 nach Bell entwickelten (Fälle), mit der nach Gestationsalter, Geburtsgewicht und Geburtsdatum gematchten Kindern ohne NEC (Kontrollen) verglichen.

Ergebnisse: Insgesamt gingen mehr als 3500 Stuhlproben in die Auswertung ein (2492 aus Kohorte 1, 1094 aus Kohorte 2). Davon entwickelten 28 Kinder in Kohorte 1 eine NEC, 94 Kinder dienten als Kontrollen. In Kohorte 2 kam es zu 18 Fällen, denen 26 Kontrollen zugordnet wurden. Dabei unterschied sich die Zusammensetzung der Darmflora zwischen Fällen und Kontrollen deutlich. Bei kombinierter Auswertung der beiden Kohorten fanden sich bei den Kindern mit späterer NEC

  • ein signifikant erhöhter Anteil von Gammproteobacteriae, dazu gehören z. B. Enterobacteriaceae, Escherichia, Shigellen und Klebsiellen, sowie

  • ein signifikant geringerer Anteil von obligaten Anaerobiern wie Clostridium und Angehörigen der Klasse Negativicutes (z. B. Acidaminococcus, Veillonella, Negativicoccus)

als bei den Kindern, die keine NEC entwickelten. Dieser Unterschied war ab Tag 31 nach der Geburt nachweisbar und am deutlichsten in der Gruppe der Kinder, die vor der 27. Woche zur Welt gekommen waren.

Fazit

Eine Dysbiose im Sinne einer gestörten Zusammensetzung der Darmflora scheint nach diesen Daten der Entstehung einer NEC voranzugehen, meinen die Autoren, und entwickelt sich ab dem 2. Lebensmonat. Natürlich könne, so Warner et al. weiter, eine reine Beobachtungsstudie keine Kausalität nachweisen, aber ein Einfluss dieser Dysbiose auf die NEC-Entstehung scheint zumindest nicht unwahrscheinlich, wie auch Tiermodelle zeigen. Größere Studien müssten die Daten bestätigen und mögliche therapeutische Ansätze prüfen, die vor dem 30. Lebenstag ansetzen, also bevor die Dysbiose entsteht.

Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim