Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(04): 145-146
DOI: 10.1055/s-0042-111960
Journal Club
Neonatologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hirnentwicklung – Hoch dosiertes EPO bei sehr unreifen Frühgeborenen neuroprotektiv?

Further Information

Publication History

Publication Date:
29 August 2016 (online)

Hintergrund: Rekombinantes humanes Erythropoetin (rhEPO) zählt zu den aussichtsreichsten Arzneimittelkandidaten, die bei sehr unreifen Frühgeborenen möglicherweise neurologische Schäden verhindern und die Entwicklung verbessern. So konnte u. a. eine Assoziation zwischen der frühen EPO-Gabe und verminderter Inzidenz auffälliger MRT-Befunde der weißen und grauen Substanz gezeigt werden. Nun wurden entwicklungsneurologische Effekte der frühen Hoch-Dosis-EPO-Therapie bei Kindern im Alter von 2 Jahren untersucht.

Methoden: Die multizentrische randomisierte, doppelblinde und plazebokontrollierte Untersuchung schloss in den Jahren 2005–2012 Neugeborene ein, die zwischen den Schwangerschaftswochen 26 + 0 und 31 + 6 zur Welt kamen. Innerhalb der ersten 3 Lebensstunden sowie nach 12–18 und 36–42 h erhielten sie 3000 IU / kg KG rhEPO oder Plazebo. Die Schweizer Forscher untersuchten die Kinder dann im korrigierten Alter von 2 Jahren mit den Bayley Scales of Infant Development (BSID-II). Primärer Endpunkt war die neurologische Entwicklung entsprechend dem Mental Development Index (MDI, Normalwert 100). Die sekundären Endpunkte umfassten den psychomotorischen Index (PDI), Zerebralparase, schwere Hör- und Sehbehinderungen, Gewicht, Körpergröße und Kopfumfang.

Ergebnisse: Insgesamt erhielten 230 Neugeborene rhEPO und 220 Plazebo. Die Kinder hatten ein durchschnittliches Gestationsalter von 29 Wochen, wogen im Mittel 1210 g und 59 % waren Mädchen. In der Intention-to-Treat-Analyse erreichten die Kinder der rhEPO-Gruppe einen MDI von 93,5 und diejenigen der Plazebogruppe von 94,5. Der Unterschied war nicht statistisch signifikant (95 %-Konfidenzintervall [KI], –4,5 bis 2,5; p = 0,56). Die Ergebnisse der Per-Protocol-Auswertung differierten ebenfalls nicht signifikant (95 %-KI, –3,0 bis 4,4; p = 0,70). Auch der PDI und die weiteren sekundären Endpunkte lieferten keine Hinweise für einen Vorteil der rhEPO-Therapie.

Fazit

In dieser Schweizer Studie ließ sich kein Effekt der prophylaktischen hoch dosierten rhEPO-Gabe auf die entwicklungsneurologische Ergebnisse bei sehr unreifen Frühgeborenen erzielen. Bei den Untersuchungen im Alter von 2 Jahren waren die Unterschiede zu Plazebo nicht signifikant. Nach Ansicht der Autoren existiert im Moment keine ausreichende Evidenz, um rhEPO bei sehr unreifen Frühgeborenen mit dem Ziel der Neuroprotektion einzusetzen. Ihrer Meinung nach wäre es möglich, dass rhEPO keine neuroprotektive Rolle zukommt.

Matthias Manych, Berlin