JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2016; 05(05): 242
DOI: 10.1055/s-0042-112805
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Publication Date:
07 October 2016 (online)

Nur die halbe Wahrheit

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und das Institut for Healthcare-Business GmbH (hcb) haben im Auftrag der Krankenkassen in Rheinland-Pfalz im Juli 2016 ein „Gutachten zur qualitätsorientierten Weiterentwicklung der stationären Versorgung“ vorgelegt. Die Kliniken im Land schneiden dabei bei der Behandlungsqualität und Patientenzufriedenheit gut ab. Ebenfalls konstatiert wird ein höherer Personalanteil gegenüber dem Bundesdurchschnitt. Allein in der Pflege liege der Personalanteil 10 % höher.

Trotz dieser vergleichsweise guten Zahlen sei auch in Rheinland-Pfalz die Pflegepersonalbesetzung in den Krankenhäusern als deutlich zu gering anzusehen. „Die schönen Zahlen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Pflegenden an ihrer Belastungsgrenze sind. In der Folge entstehen Schäden bei Patientinnen und Patienten, die erst nach den Krankenhausaufenthalten zutage treten und zu hohen Kosten im Bereich der Pflegeversicherung führen“, so Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz. Er legt Wert darauf, dass aus pflegerischer Perspektive nicht nur die Behandlungsqualität ausschlaggebend sei, sondern insbesondere auch die Situation weit nach einem Krankenhausaufenthalt. Auch sei der Einstieg in die Bettlägerigkeit bei vielen Menschen durch einen Krankenhausaufenthalt infolge mangelnder Versorgung u. a. im Bereich der Mobilität begründet. In ein bis zwei Wochen Krankenhausaufenthalt können somit, sicherlich nicht beabsichtigt, Pflegebedarfe angestoßen werden, die nichts mit der eigentlichen Grunderkrankung zu tun hätten. In anderen europäischen Ländern sei im Vergleich zur Deutschen Pflege die Personalbesetzung bis doppelt so hoch, was eine wesentlich umfassendere pflegerische Betreuung der Patienten zur Folge hätte. Hier seien Bundes- und Landespolitik in der Pflicht, endlich in das System der Gesundheitsversorgung einzugreifen, um die teilweise vorhandenen Mittel anders zu verteilen bzw. um weitere Mittel in das System einfließen zu lassen und insbesondere die Pflegebesetzung deutlich nach oben anzupassen.

Das Gutachten bemängelt allerdings die zu hohe Kostenstruktur, insbesondere den um 10 % über dem Bundesdurchschnitt liegenden Personalanteil. Dr. Mai befürchtet eine Angleichung nach unten und damit eine Erhöhung der Arbeitsbelastung, die in den Kliniken jetzt schon erheblich ist. Schließlich seien die Kosten auch deshalb höher, weil es in Rheinland-Pfalz einen deutlich höheren Anteil an tarifgebundenen Unternehmen in der Pflegebranche gibt als in anderen Bundesländern. Gerade in den Bundesländern mit einer hohen Privatisierungsquote im Klinikbereich werde bei der Entlohnung des Personals gespart, was natürlich zu niedrigeren Kosten führt.

In Rheinland-Pfalz seien immer noch zu wenige Pflegekräfte eingesetzt, aber das Mehr an Anstellungen entlaste die Pflegenden und führe so zu einer höheren Qualität zum Nutzen der Pflegeempfänger. Diese Entwicklung sieht auch Astrid Bender-Cramer, Mitglied in der Vertreterversammlung und tätig in der Unimedizin Mainz. „Die Frage ist nun, ob die Arbeitsbelastung der Pflegenden noch mehr erhöht werden sollte bzw. ob die Qualität reduziert werden muss, um Kosten senken zu können. Die Antwort kann in beiden Fällen nur nein lauten“, so Bender-Cramer.

Dr. Mai fordert die rheinland-pfälzische Landesregierung auf, die Investitionsmittel für die Kliniken im Land spürbar aufzustocken. Er befürchtet, dass bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen eine Versorgung durch professionell Pflegende in Zukunft nicht mehr sichergestellt ist.

Im Hinblick auf weitere Gutachten schlägt Mai vor, dass diese sich mit den Folgen der mangelhaften Personalbesetzung in Krankenhäusern für den Bereich der Pflegeversicherung auseinandersetzen sollen. Die Landespflegekammer werde dies in Gesprächen mit den Spitzenverbänden der Kostenträger anregen und entsprechend als fachlicher Ansprechpartner zur Verfügung stehen.