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DOI: 10.1055/s-0042-112806
Koronare Herzerkrankung: Fortschritte in Diagnostik und Therapie
Coronary Heart Disease: Advances in Diagnostics and TherapyPublication History
Publication Date:
18 October 2017 (online)
Liebe Leserinnen und Leser,
die Arteriosklerose der Herzkranzgefäße ist die häufigste kardiovaskuläre Erkrankung mit weiterhin sehr problematischer Prognose. Trotz immer besserer diagnostischer Möglichkeiten bleibt die sichere und rechtzeitige Differenzierung des akuten und chronischen Brustschmerzes eine große Herausforderung.
Schon seit vielen Jahren ist bekannt, dass Frauen und Männer sich auch hinsichtlich der Symptomatik der koronaren Herzerkrankung ziemlich deutlich unterscheiden. Die Ursachen der wohl pathophysiologisch bzw. hormonell verursachten Unterschiede sind nur teilweise wirklich geklärt. Hohmann et al. (siehe S. 1578) fassen den heutigen Wissensstand zusammen und weisen speziell darauf hin, dass Frauen in zunehmend früherem Alter erkranken und ein doppelt so hohes Letalitätsrisiko haben als Männer derselben Altersgruppe. Sowohl bei Ärzten als auch bei den betroffenen Patientinnen selbst scheinen weiterhin erhebliche Defizite in Bezug auf die Kenntnis und die adäquate Diagnostik der oft atypischen Symptomatik zu bestehen. Bis zu 50 % der Frauen mit stabiler Beschwerdesymptomatik und 10 – 30 % der Männer weisen nach aktuellen Zahlen einen morphologisch unauffälligen Koronarografiebefund auf, der in der Regel fälschlicherweise als „nicht-kardialer Thoraxschmerz“ gedeutet wird. Ong und Sechtem (siehe S. 1586) diskutieren die dabei oft zugrundeliegenden funktionellen Störungen. Diese verursachen dann eine eingeschränkte Vasodilatation auf entsprechende Stimuli (wie Adenosin) und/oder eine verstärkte Vasokonstriktionsneigung auf Acetylcholin. Eine Okklusion der Mikrogefäße führt bei diesen Patienten gelegentlich zu rezidivierenden Mikroinfarkten und einer diagnostisch wichtigen persistierenden Troponin-Erhöhung. Die Vasomotionstestung mit Acetylcholin hat ein nur geringes Risiko, schafft aber oft Gewissheit über die Diagnose und erleichtert die Evidenz-basierte Therapie.
Der technische Fortschritt hat dazu geführt, dass das Koronar-CT hochgradige Stenosen tatsächlich mit großer Sicherheit ausschließen kann. Ob und in welchen Fällen das CT die invasive Koronarografie ersetzen kann, wird allerdings kontrovers diskutiert (siehe S. 1604 – 1607). Man darf nicht vergessen, dass sich die funktionelle Relevanz von sichtbaren mittelgradigen Koronarstenosierungen zumeist nicht sichern lässt – auch kann eine Gefäßeinengung nur bei der Katheteruntersuchung in gleicher Sitzung sofort beseitigt werden.
Wenn eine signifikante Koronarstenose erkannt und dargestellt wurde, eignet sich die Messung der fraktionellen Flussreserve (FFR) zur Beurteilung der klinischen Relevanz, da ein kontinuierlicher Zusammenhang zwischen dem FFR-Wert und der Häufigkeit späterer klinischer Ereignisse besteht. Andererseits haben Patienten ohne induzierbare Ischämie mit einer FFR > 0,80 unter optimaler medikamentöser Therapie eine exzellente Prognose mit einer Ereignisrate von unter 1 % pro Jahr und bedürfen deshalb zumeist keiner Stentimplantation. Die Probleme der FFR-Messung in speziellen Situationen (Mehrgefäßerkrankung, nach Bypass-Operation, nach Stentimplantation, bei akuter und stabiler Angina, bei Diabetikern) müssen jedoch individuell berücksichtigt werden (siehe S. 1595).
Ausmaß und Schwere der Symptomatik sind in der Regel ziemlich verlässliche Prädiktoren für die Notwendigkeit einer differenzierten Koronaruntersuchung, in die natürlich auch die neu entwickelten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten mit einbezogen werden müssen.