Zusammenfassung
Hintergrund: Häufig wird angenommen, dass bei Amputierten ein höheres Risiko für degenerative Veränderungen am Bewegungsapparat vorliegt. Inwieweit dies in der wissenschaftlichen Literatur bestätigt wird, wurde mit der vorliegenden Arbeit untersucht. Insbesondere wurde analysiert, wie hoch das Risiko von verschiedenen degenerativen Erkrankungen für Amputierte ist.
Material und Methoden: Es wurde eine systematische Literaturrecherche in wissenschaftlichen Datenbanken hinsichtlich amputationsbedingter Veränderungen durchgeführt. Alle thematisch passenden Artikel wurden qualitativ analysiert, die vorliegenden quantitativen Ergebnisse der Studien zusammengefasst und mit Daten für die nicht amputierte Bevölkerung verglichen.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 40 Publikationen identifiziert, die die Einschlusskriterien erfüllen. Die Zusammenfassung aller quantitativen Ergebnisse zeigte eine erhöhte Prävalenz von Beschwerden am Bewegungsapparat im Vergleich zur nicht amputierten Bevölkerung: Rückenschmerzen zeigen sich bei 56 % aller Amputierten. Gonarthrose kontralateral ist radiologisch bei 35 % aller Amputierten nachweisbar und klinisch bei 33 %. Klinische Symptome der Koxarthrose sind ipsilateral bei 15 % aller Amputierten und kontralateral bei 20 % zu beobachten. 87 % aller Amputierten weisen eine Verringerung der Knochendichte an der ipsilateralen Hüfte auf und eine Muskelatrophie ist ipsilateral bei allen Amputierten zu diagnostizieren.
Schlussfolgerung: Durch die Weiterentwicklung der Prothesenpassteile ist es erfahrungsgemäß möglich, die Prothesenlänge an die kontralaterale Seite weitestgehend anzupassen, sodass es nicht mehr zu der in früherer Literatur beschriebenen Beinlängendifferenz kommt. Dadurch scheinen Veränderungen an der Wirbelsäule bei Amputierten seltener geworden zu sein und werden deshalb wahrscheinlich in der aktuellen Literatur nicht mehr diskutiert. Das jeweilige Risiko von Rückenschmerzen, Gonarthrose kontralateral, verminderter Knochendichte an der ipsilateralen Hüfte sowie Muskelatrophien ipsilateral ist allerdings immer noch deutlich erhöht im Vergleich zur Normalbevölkerung. Die Prävalenz von Rückenschmerzen und Gonarthrose steigt mit der Amputationshöhe. Durch die Weiterentwicklung von Passteilen und die Optimierungen der prothetischen Versorgung können möglicherweise auch diese Risiken weiter reduziert werden. Einerseits wird aufgrund einer besseren Versorgungsqualität das Hilfsmittel häufiger genutzt. Andererseits wird eine optimierte Prothese stärker belastet, wodurch die Last auf beide Beine gleichmäßiger verteilt wird. Beides resultiert in einer physiologischeren Belastung des Bewegungsapparats. Inwieweit der kontralaterale Fuß degenerative Veränderungen aufweist, konnte innerhalb der wissenschaftlichen Literatur nicht ausreichend festgestellt werden. Hierzu bedarf es weiterer Studien.
Abstract
Background: It is often assumed that leg amputations result in a greater risk of degenerative changes to the locomotor system. This paper analysed the extent to which this assumption is supported by the scientific literature. In particular, the study analysed the level of risk of various degenerative diseases in amputees.
Method: A systematic literature search was conducted in scientific databases on degenerative changes caused by amputations. All pertinent articles were qualitatively analysed; the available quantitative results were summarised and compared to data for the able bodied population.
Results: The search yielded 40 publications that met the inclusion criteria. A quantitative summary of the studies showed that 56 % of amputees suffered from back pain, radiographic signs of arthritis were found in the sound knee of 35 % of patients, compared with clinical signs in 33 %. Clinical symptoms of hip osteoarthritis were seen in 15 % of amputees on the prosthetic side and in 20 % on the sound side. 87 % of patients exhibited reduced bone density in the hip on the prosthetic side and all amputees exhibited muscular atrophy in the residual limb.
Conclusions: Thanks to the development of prosthetic components it is possible to adjust the length of the prosthesis to the length of the sound limb, so that there are no longer discrepancies in leg length. This means that flexion deformities of the spine of amputees have become rarer and are therefore no longer discussed in the current literature. The risks of back pain, knee osteoarthritis in the sound side, reduced bone density on the prosthetic side hip and muscular atrophy are still significantly greater than in the able bodied population. The prevalence of back pain and knee osteoarthritis increases in more proximal amputations. It may be possible to reduce these risks with novel prosthetic components and by optimising prosthetic fitting. On the one hand, an optimised prosthesis will be used more often. On the other hand, it will be exposed to greater loads and therefore the load to the locomotor system could be distributed more evenly between the two legs. Both aspects would result in a more physiological loading of the locomotor system. There was not enough published evidence to determine to what extent the sound side foot shows degenerative changes.
Schlüsselwörter
Osteoarthrose - Rückenschmerzen - Muskelatrophie - Amputation - Knochendichte
Key words
amputation - osteoarthritis - back pain - muscular atrophy - bone density