Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2016; 23(04): 164
DOI: 10.1055/s-0042-113261
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Biomarker im Blut können bisher nicht zuverlässig das Risiko für einen Selbstmord anzeigen

Suizidalität in flugmedizinischen Diagnoseverfahren erkennen
Carla Ledderhos
1   Fürstenfeldbruck, Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrtmedizin
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
24. August 2016 (online)

Kommentar

Weltweit setzen pro Jahr circa eine Million Menschen ihrem Leben ein Ende [[5]]. Damit stirbt etwa alle 40 Sekunden ein Mensch an den Folgen eines Suizids [[6]]. Nicht inbegriffen in dieser Aufstellung sind die ungezählten fehlgeschlagenen Suizide. Eine sichere Frühidentifikation suizidalen Verhaltens wäre damit nicht nur für die Flugmedizin sondern auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext von größter Bedeutung und ohne Frage erstrebenswert. Die Möglichkeit, mit einfach durchzuführenden Tests oder simplen Biomarkern Personen zu identifizieren, die suizidal gefährdet sind, würde nicht nur sehr viel Leid verhindern, sondern auch einen Schritt hin zu einer individualisierten Medizin, die gezielt eingreifen und therapieren könnte, bedeuten.

Nach Untersuchungen von Vuorio [[1]] bei den sogenannten aircraft-assisted pilot sucides haben 5 von 8 Personen in ihrem Umfeld vor dem ausgeführten Suizid diesen Gedanken kommuniziert. Dagegen teilen Personen, die einen Suizid planen, ihre Gedanken dem behandelnden Arzt häufig nicht mit. Insofern wäre ein Test, der weitgehend von der Mitarbeit der zu untersuchenden Person unabhängig und damit objektiv wäre, mehr als nur erstrebenswert.

Dennoch ist es zu früh und die Datenlage noch nicht ausreichend, um sich bei der Erkennung einer potenziellen Suizidalität einzig und allein auf Biomarker zu verlassen. So stehen Untersuchungen an Frauen und weitere Studien an nicht bipolaren Personen aus, deren Ergebnisse abgewartet werden müssen.

Auch wenn es noch ein langer Weg bis zur Einführung der gengestützten Analyse in die Routinediagnostik ist, haben Biomarker im Blut zur Bestimmung der Suizidalität das Potenzial, in Kombination mit der klinischen Untersuchung ein nützliches Hilfsmittel in der Psychiatrie und Psychotherapie zu werden. Möglicherweise befähigen sie uns zukünftig sogar, durch die Nutzung verschiedener Sets von Markern zwischen gewalttätigen und nicht gewalttätigen sowie zwischen impulsiven und planmäßig vorgehenden Selbstmördern unterscheiden zu können. Dies hätte nicht nur positives für die Flugmedizin sondern wäre auch gesamtgesellschaftlich erstrebenswert.

Dennoch birgt ein solches Vorgehen immer auch die Gefahr eines falsch positiven Ergebnisses und der Stigmatisierung von Trägern solcher Merkmale oder aber die einer sich selbst verwirklichenden Prophezeiung in sich. Sowohl der Flugmediziner wie auch der behandelnde Arzt sollten sich dieser Verantwortung stets bewusst sein. Immer wird die Gesamtschau der Befunde zur Beurteilung des Risikos ausschlaggebend bleiben.

 
  • Literatur

  • 1 Vuorio A, Laukkala T, Navathe P et al. Aircraft-assisted pilot suicides: lessons to be learned. Aviat Space Environ Med 2014; 85: 841-846
  • 2 Le-Niculescu H, Levey DF, Ayalew M et al. Discovery and validation of blood biomarkers for suicidality. Mol Psychiatry 2013; 18: 1249-1264
  • 3 Niculescu AB, Levey D, Le-Niculescu H et al. Psychiatric blood biomarkers: avoiding jumping to premature negative of positive conclusions. Mol Psychiatry 2015; 20: 286-288
  • 4 Punzi G, Ursini G, Shin JH et al. Increased expression of MARCKS in post-mortem brain of violent suicide completers is related to transcription of a long, noncoding, antisense RNA. Mol Psychiatry 2014; 19: 1057-1059
  • 5 Ghanshyam NP, Dwivedi Y. Peripheral biomarkers for suicide. In: Dwivedi Y, (Ed.) The neurobiological basis of suicide. Boca Raton: CRC Press/Taylor & Francis; 2012
  • 6 Niculescu AB, Levey DF, Phalen PL et al. Understanding and predicting suicidality using a combined genomic and clinical risk approach. Mol Psychiatry 2015; 20: 1266-1285