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DOI: 10.1055/s-0042-113493
Hat eine neue Ära begonnen?
Herausforderungen und GrenzenPublication History
Publication Date:
05 October 2016 (online)
1983–1987 Studium der Pharmazie an der Universität Tübingen; 1997 Ernennung zum Fachapotheker für klinische Pharmazie; seit 1998 Chefapotheker des Universitätsklinikums Tübingen; 2014 Ernennung zum Honorarprofessor der Universität Tübingen; Schwerpunkte: Arzneimittel-Controlling, klinische Onkologie, Hämostaseologie und Infektiologie.
DZO: Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Neuerungen im Bereich der pharmazeutischen Arzneimittelentwicklung in der Onkologie?
Prof. Lipp:
Ich denke, dass die aktuellen Diskussionen zu Innovationen in der Onkologie von den Checkpoint-Inhibitoren und möglichen Kombinationen derselben beherrscht werden.
DZO: Bedeutet die zunehmende Entwicklung von „zielgerichtet wirksamen Pharmaka“ und „Checkpoint-Inhibitoren“ automatisch auch eine verlängerte Überlebenszeit für die Patienten? Oder profitieren nur kleinere Subpopulationen?
Prof. Lipp:
Es stehen beim NSCLC Daten zur Verfügung, die einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der peritumoralen PDL1-Expression und der Dauer und Intensität des Ansprechens auf Pembrolizumab sehen, sodass die Diskussion zum Einsatz entsprechender prädiktiver Marker voll im Gange ist, zumal sich daraus auch Vorteile in den Überlebensdaten abzeichnen.
DZO: Warum kommt es dazu, dass Patienten trotz nachgewiesener Zielstrukturen auf die Medikamente unterschiedlich ansprechen?
Prof. Lipp:
Neben Fragestellungen zur Compliance (Adhärenz) und zu pharmakokinetischen Wechselwirkungen ergeben sich auch regelhaft pharmakodynamische Herausforderungen, d. h. zu sekundären Resistenzentwicklungen, z. B. über einen Bypass in der Signaltransduktion, die interindividuell unterschiedlich ausgeprägt sein können.
DZO: Welche Bestimmung von prädiktiven Markern halten Sie aktuell für empfehlenswert?
Prof. Lipp:
Zunächst sind die regulatorischen Vorgaben bindend (z. B. HER2 bei Trastuzumab). Die bereits erwähnten PD1- und PDL-Expressionen müssen als prädiktive Parameter zunächst flächendeckend standardisiert und über Ringversuche validiert werden.
DZO: Welche Arzneimittelinteraktionen sind bei diesen neuen Substanzen zu beachten?
Prof. Lipp:
Bei den oralen zielgerichtet wirksamen Tumortherapeutika sind verschiedene klinisch-pharmakokinetische Wechselwirkungen bekannt, die es substanzabhängig einzuhalten gilt, wie z. B. Magen-pH-Veränderungen durch Protonenpumpenhemmer, Nahrungseffekte, Komplexbildungen mit Naturstoffen, Enzyminduktions- und -inhibitionseffekte.
DZO: Wo liegen Ihrer Meinung nach die Grenzen dieser neuen Entwicklungen?
Prof. Lipp:
Für viele solide Tumoren sind im fortgeschrittenen Stadium vorwiegend Chronifizierungen der zugrundeliegenden Erkrankung möglich – die Perspektive einer Heilung bleibt jedoch ein langer, steiniger Weg.
DZO: Stichwort Kosten. Ist eine Medizin mit zielgerichtet wirksamen Therapeutika überhaupt finanzierbar?
Prof. Lipp:
Wir werden absehbar mehr als 1 Mrd. € Mehrkosten durch die neuen, überlebensverlängernden Wirkstoffe in der Onkologie schultern müssen. Der steigende Biosimilar-Markt kann diese Entwicklung genauso wenig auffangen wie irgendwelche Zytostatikaausschreibungen. Ob angloamerikanische Modelle bei uns Einzug finden werden (Stichworte: ICER, QALY, Pay for performance), bleibt abzuwarten, da hierzu weitergehende gesellschaftspolitische Diskussionen notwendig sind.
DZO: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was tun Sie für sich, um gesund zu bleiben?
Prof. Lipp:
Neben einer möglichst ausgewogenen Ernährung ist für mich ein gutes Schlafprofil mit möglichst wenigen Unterbrechungen sehr wichtig. Darüber hinaus ist es mir sehr wichtig, immer genügend Zeitraum für private Belange zu haben!