Zusammenfassung
Hintergrund: Komplexe Sprunggelenksfrakturen sind häufige Verletzungen des alten Menschen. In der eigenen Klinik wurde in diesem Patientengut in Einzelfällen eine Diskrepanz zwischen den präoperativ erhobenen Befunden der konventionellen Röntgenaufnahmen und den intraoperativen Befunden hinsichtlich der Frakturmorphologie beobachtet. Es wurde deshalb die Hypothese formuliert, dass bei älteren Patienten viele therapierelevante Verletzungen im Röntgenbild nicht erkannt werden. Die Dokumentation einer mehrfragmentären Fraktursituation am oberen Sprunggelenk ist erlösrelevant.
Material und Methoden: Für die Untersuchung konnten die kompletten Daten und präoperativen Röntgenbilder von 84 Patienten mit Sprunggelenksfrakturen in einem Alter von über 60 Jahren retrospektiv ausgewertet werden. Hierbei handelte es sich um 59 Frauen und 25 Männer im mittleren Alter von 69,9 Jahren (Range 60–90 Jahre). Die OP-Berichte und die präoperativen konventionellen Röntgenbilder wurden hinsichtlich folgender Kriterien analysiert: mehrfragmentäre Außenknöchelfraktur, Innenknöchelfraktur, posteriores Kantenfragment, knöcherner Ausriss der vorderen Syndesmose. Es wurden die Sensitivität, die Spezifität, der positiv prädiktive Wert, der negativ prädiktive Wert, die Prävalenz sowie die Genauigkeit berechnet.
Ergebnisse: Die Prävalenz der einzelnen Läsionen betrug in dem hier analysierten Kollektiv für eine mehrfragmentäre Außenknöchelfraktur 24 %, für eine Innenknöchelfraktur 38 %, für eine Beteiligung des hinteren Volkmann-Dreiecks 25 % und für einen knöchernen Ausriss der vorderen Syndesmose 22,6 %. Mehrfragmentäre Außenknöchelfrakturen (Sensitivität 0 %) und knöcherne Ausrisse der vorderen Syndesmose (Sensitivität 5 %) wurden im konventionellen präoperativen Röntgenbild kaum erkannt. Innenknöchelfrakturen und Frakturen des hinteren Volkmann-Dreiecks wurden im konventionellen Röntgenbild mit einer ausreichenden Sensitivität (96,8 %/76,2 %) und Spezifität (jeweils 100 %) erkannt.
Schlussfolgerungen: Die hier vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass bei älteren Patienten in einem Viertel der Fälle mit komplexen Sprunggelenksfrakturen zu rechnen ist. Mehrfragmentäre Außenknöchelfrakturen entziehen sich dem Nachweis auf dem konventionellen Röntgenbild. Die Indikation zur präoperativen CT-Untersuchung sollte großzügig gestellt werden, um intraoperativ nicht von einer mehrfragmentären Situation überrascht zu werden. Der MDK sollte bei Fallprüfungen auf den intraoperativ dokumentierten Befund und nicht auf den präoperativen Röntgenbefund zurückgreifen, wenn es darum geht zu entscheiden, ob eine mehrfragmentäre Sprunggelenksfraktur vorliegt.
Abstract
Background: Ankle fractures are extremely common in the elderly, with an incidence of up to 39 fractures per 100,000 persons per year. We found a discrepancy between intraoperative findings and preoperative X-ray findings. It was suggested that many relevant lesions of the ankle joint in the elderly cannot be detected with plain X-rays.
Methods: Complete data sets and preoperative X-rays of 84 patients aged above 60 years with ankle fractures were analysed retrospectively. There were 59 women and 25 men, with a mean age of 69.9 years. Operation reports and preoperative X-rays were analysed with respect to four relevant lesions: multifragmentary fracture pattern of the lateral malleolus, involvement of the medial malleolus, posterior malleolar fractures and bony avulsion of anterior syndesmosis. Sensitivity, specificity, positive predictive value, negative predictive value, accuracy and prevalence were calculated.
Results: The prevalence of specific ankle lesions in the analyzed cohort was 24 % for the multifragmentary fracture pattern of the lateral malleolus, 38 % for fractures of the medial malleolus, 25 % for posterior malleolar fractures and 22.6 % for bony avulsions of the anterior syndesmosis. Multifragmentary fracture patterns of the lateral malleolus (sensitivity 0 %) and bony avulsions of the anterior syndesmosis (sensitivity 5 %) could not be detected in plain X-rays of the ankle joint at all. Fractures of the medial malleolus and involvement of the dorsal tibial facet were detected with a sensitivity of 96.8 % and 76.2 %, respectively, and specificity of 100 % in both cases.
Conclusions: This study confirms that complex fracture patterns, such as multifragmentary involvement of the lateral malleolus, additional fracture of the medial malleolus, involvement of the dorsal tibial facet or bony avulsion of the anterior syndesmosis are common in ankle fractures of the elderly. Therefore, CT scans should be routinely considered for primary diagnosis, in addition to plain X-rays.
Schlüsselwörter
Sprunggelenksfraktur - alter Patient - Röntgendiagnostik - Epidemiologie - Alterstraumatologie
Key words
ankle fracture - elderly - X-rays - epidemiology - geriatric fracture