Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(01): 20-26
DOI: 10.1055/s-0042-114422
GebFra Magazin
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hereditäre Stoffwechselerkrankungen – Schwangerschaft bei Mukoviszidose – ein Überblick

R. K. Michl*
,
S. Mues*
,
J. G. Mainz
,
U. R. Markert
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Publication History

Publication Date:
30 January 2017 (online)

Die Lebenserwartung von Mukoviszidose-Patienten stieg dank intensiver Forschung und Therapie in den letzten 4 Jahrzehnten vom Vorschulalter auf heute über 40 Jahre. Entsprechend nimmt auch die Anzahl von Schwangerschaften an Mukoviszidose erkrankter Frauen zu. Häufig ist für Betroffene die Einschätzung der Konsequenzen einer Schwangerschaft auf ihre Erkrankung und die Auswirkung ihrer Erkrankung auf das heranwachsende Kind nicht möglich. Die Schwangerschaft einer an Mukoviszidose erkrankten Frau mit schlechter Lungenfunktion, reduziertem BMI und Komorbiditäten zeigt erwartungsgemäß mehr Komplikationen als eine Schwangerschaft von Patientinnen ohne entsprechende Risikofaktoren. Generell sind Verläufe mit bestem Outcome für Mutter und Kind unter exakter Planung und engmaschiger multidisziplinärer Betreuung zu erreichen. Ziel dieser zusammenfassenden Arbeit soll ein Überblick über die Risiken und Optionen einer Schwangerschaft bei Mukoviszidosepatientinnen sein.

Die Mukoviszidose, auch als zystische Fibrose (CF) bezeichnet, ist eine autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung. Die Krankheit beruht auf Mutationen auf dem langen Arm des Chromosoms 7 [1], mit inzwischen über 1900 bekannten Mutationen [2]. Das defekte Gen kodiert für den Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator (CFTR), Lokalisation 7q31.2 (Gene ID 1080). Dieser CFTR-Abschnitt kodiert ein aus 1480 Aminosäuren bestehendes Protein, das einen cAMP (cyclisches Adenosinmonophosphat)-abhängigen Chlorid-Kanal in der Zellmembran von Epithelzellen bildet [1], durch den der Ionenaustausch zwischen Intra- und Extrazellularraum reguliert wird. Betroffen von einer Fehlfunktion sind vor allem der Atem- und Verdauungstrakt. Dies äußert sich in einer gestörten mukoziliären Clearance mit Besiedlung der Atemwege mit Problemkeimen, häufig wiederkehrenden Lungenentzündungen, Atemnot, Verdauungsstörungen mit Malabsorption aufgrund der eingeschränkten exokrinen (und endokrinen) Pankreasfunktion sowie einer häufigen hepatischen Beteiligung.

Die Therapieansätze sind je nach Ausprägung des Krankheitsbildes sehr unterschiedlich. Da die meisten CF-Patienten an chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen mit mukoziliärer Clearancestörung leiden, stehen hier sekretlösende Maßnahmen im Vordergrund. Regelmäßige Inhalationen helfen dem Patienten bei der Mobilisation des zähen Schleims in den Atemwegen, ebenso regelmäßige und konsequente Physiotherapie und Sport. Je nach pulmonaler Situation kommen topische Kortikoide und Makrolide, antiinflammatorische Medikation und antibiotische Therapien zum Einsatz, die inhalativ, oral oder intravenös verabreicht werden [3], sowohl prophylaktisch-suppressiv als auch während Exazerbationen [4].

Bei exokriner Pankreasinsuffizienz, an der ca. 85 % der Patienten leiden, erfolgt zusätzlich die Einnahme von Pankreasenzymen und die Substitution fettlöslicher Vitamine. Der tägliche Bedarf an Kalorien ist erhöht, der Patient muss auf eine hochkalorische Ernährung achten.

Das mittlere Überlebensalter von Patienten stieg in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich an. Nach dem Annual Data Report des Cystic Fibrosis Patient Registry lag es im Jahr 2012 in den USA bei 41,1 Jahren. Damit war es seit dem Jahr 2002 um knapp 10 Jahre gestiegen (2002: 31,3). Der Data Report berichtet über 249 Schwangerschaften von CF-Patientinnen im Jahr 2012 bei einer Gesamtzahl von 31 950 in den USA registrierten CF-Patienten. Edenborough et al. berichten von ca. 30–40 Schwangerschaften von CF-Patientinnen pro Jahr in Großbritannien [5].

* Die Autoren Michl und Mues haben gleichen Anteil an der Erstellung des Manuskripts.