Dtsch Med Wochenschr 2016; 141(S 01): S1-S3
DOI: 10.1055/s-0042-115441
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kölner Konsensus Konferenz zur pulmonalen Hypertonie 2016

S. Rosenkranz
1   Klinik III für Innere Medizin, Herzzentrum der Universität zu Köln
,
H. A. Ghofrani
2   Abteilung Pneumologie, Medizinische Klink II, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen
,
E. Grünig
3   Zentrum für pulmonale Hypertonie, Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg
,
H. Klose
4   Centrum für Pulmonale Hypertonie Hamburg, Sektion Pneumologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
,
H. Olschewski
5   Klinische Abteilung für Lungenkrankheiten, Universitätsklinik für Innere Medizin, Med. Universität Graz
6   Ludwig Boltzmann Institut für Lungengefäßforschung, Graz
,
M. M. Hoeper
7   Klinik für Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover
8   Deutsches Zentrum für Lungenforschung, Medizinische Hochschule Hannover
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Publication Date:
19 October 2016 (online)

Kürzlich wurden die aktualisierten Europäischen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der pulmonalen Hypertonie (PH) veröffentlicht [1], [2], die gemeinsam von der European Society of Cardiology (ESC) und der European Respiratory Society (ERS) erarbeitet wurden. Entsprechend der Beschlüsse der deutschen Fachgesellschaften, der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP), werden für Deutschland keine nationalen Leitlinien mehr erstellt, sodass die Europäischen Leitlinien nunmehr auch hierzulande gültig sind. Ein deutschsprachiger Kurzkommentar zu den ESC / ERS-Leitlinien wurde kürzlich publiziert [3]. Für die praktische Umsetzung der Europäischen Leitlinien in Deutschland sind jedoch einige spezifische Gesichtspunkte, die in den Europäischen Leitlinien nicht ausreichend berücksichtigt werden konnten, sowie neue Daten bedeutsam, die eine ausführliche Kommentierung der Leitlinien und in einigen Punkten eine Aktualisierung notwendig machen.

Die ESC / ERS-Leitlinien befassen sich eingehend mit der Diagnostik und Therapie der pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) entsprechend der Gruppe 1 der klinischen Klassifikation [4], nehmen darüber hinaus jedoch auch Stellung zu anderen Formen der PH. Dies betrifft insbesondere die PH bei Linksherz- oder Lungenerkrankungen sowie die chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH).

Experten und Vertreter der Fachgesellschaften sehen mit Sorge, dass die zunehmende Komplexität im Hinblick auf Diagnostik und Therapie verschiedener Formen der PH im klinischen Alltag nicht konsequent berücksichtigt wird. Einerseits wird die Diagnose PAH in vielen Fällen erst mit erheblicher Verzögerung gestellt, andererseits erfolgt die „Diagnosestellung“ einer P(A)H häufig allein aufgrund echokardiografischer Befunde, ohne dass eine adäquate Diagnostik erfolgt ist. Eine CTEPH wird in vielen Fällen übersehen oder unzureichend behandelt.

Wenn möglich, sollte bei der CTEPH eine chirurgische Therapie mittels pulmonaler Endarteriektomie (PEA) in kurativer Intention angestrebt werden. Zudem lässt sich beobachten, dass der Einsatz gezielter PAH-Therapien (Endothelin-Rezeptor-Antagonisten, Phosphodiesterase-5 Inhibitoren, sGC-Stimulatoren, Prostanoide) in zunehmendem Ausmaß unkritisch bei Patienten erfolgt, bei denen keine Indikation für diese Medikamente besteht. Dies trifft insbesondere für Patienten mit PH infolge einer Linksherzinsuffizienz oder infolge von chronischen Lungenerkrankungen zu. In vielen dieser Fälle scheint den Untersuchern bzw. Verschreibern der Unterschied zwischen PAH und anderen Formen der PH nicht hinreichend bekannt zu sein.

Außerhalb ihres Indikationsgebietes können gezielte PAH-Therapien sogar nachteilige Auswirkungen für die betroffenen Patienten haben (z. B. Gasaustauschstörungen bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen, pulmonale Stauung bei Linksherzinsuffizienz). Darüber hinaus kann der unkritische Einsatz gezielter PAH Medikamente auch zu ökonomischen Belastungen des Gesundheitssystems führen. Andererseits kann in bestimmten Fällen, in denen eine kombiniert post- und prä-kapilläre pulmonale Hypertonie (Cpc-PH) bei Linksherzerkrankung oder eine schwere PH bei Lungenerkrankung besteht, eine gezielte PH-Therapie gerechtfertigt sein [5], [6], [7]. Nicht nur in solch komplexen Fällen, sondern auch bei Erstdiagnose einer PAH, sollte die initiale Diagnosesicherung und Therapieeinleitung leitliniengerecht in Expertenzentren erfolgen.

Im deutschsprachigen Raum ergibt sich die Besonderheit, dass sich neben jüngeren Patienten mit „typischer PAH“ auch bei vielen älteren Patienten nach den geltenden Definitionen und hämodynamischen Kriterien eine PAH diagnostizieren lässt. Solche Patienten haben naturgemäß häufig Komorbiditäten und Risikofaktoren für Linksherz- oder Lungenerkrankungen und werden nunmehr als „atypische PAH“ klassifiziert [8], [9]. Es ist anzustreben, dass die Wirksamkeit und Sicherheit gezielter PAH-Therapien genauso wie neue Therapieprinzipien für die Behandlung von „typischer“ und „atypischer“ PAH, aber auch bei anderen Formen der PH, im Rahmen klinischer Studien in Expertenzentren geprüft werden.

 
  • Literatur

  • 1 Galiè N, Humbert M, Vachiery JL et al. 2015 ESC / ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension: The Joint Task Force for the Diagnosis and Treatment of Pulmonary Hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Respiratory Society (ERS). Endorsed by: Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC), International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT). Eur Heart J 2016; 37: 67-119
  • 2 Galiè N, Humbert M, Vachiery JL et al. 2015 ESC / ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension: The Joint Task Force for the Diagnosis and Treatment of Pulmonary Hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Respiratory Society (ERS): Endorsed by: Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC), International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT). Eur Respir J 2015; 46: 903-975
  • 3 Rosenkranz S, Baldus S, Grünig E et al. Kommentar zu den 2015 ESC / ERS-Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der pulmonalen Hypertonie. Der Kardiologe 2016; 10: 211-221
  • 4 Simonneau G, Gatzoulis MA, Adatia I et al. Updated clinical classification of pulmonary hypertension. J Am Coll Cardiol 2013; 62: D34-D41
  • 5 Vachiery JL, Adir Y, Barbera JA et al. Pulmonary hypertension due to left heart diseases. J Am Coll Cardiol 2013; 62 (Suppl D) D100-D108
  • 6 Rosenkranz S, Gibbs JSR, Wachter R et al. Left ventricular heart failure and pulmonary hypertension. Eur Heart J 2016; 37: 942-954
  • 7 Seeger W, Adir Y, Barbera JA et al. Pulmonary hypertension in chronic lung diseases. J Am Coll Cardiol 2013; 62 (Suppl D) D109-D116
  • 8 Galiè N, Barbera JA, Frost A et al. Initial use of Ambrisentan plus Tadalafil in pulmonary arterial hypertension. New Engl J Med 2015; 379: 834-844
  • 9 Opitz CF, Hoeper MM, Gibbs JSR et al. Pre-capillary, combined, and post-capillary pulmonary hypertension: A pathophysiological continuum. J Am Coll Cardiol 2016; 68: 368-378
  • 10 Hoeper M, Bogaard HJ, Condliffe R et al. Definition and diagnosis of pulmonary hypertension. J Am Coll Cardiol 2013; 62 (Suppl D) D42-D50
  • 11 Galiè N, Corris PA, Frost A et al. Updated treatment algorithm of pulmonary arterial hypertension. J Am Coll Cardiol 2013; 62 (Suppl D) D60-D72