PPH 2016; 22(05): 281
DOI: 10.1055/s-0042-115487
Rund um die Psychiatrie
Aktuelle Studien
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Für Sie gelesen: Klein N, Epley N. Maybe Holier, But Definitely Less Evil, Than You – Bounded Self-Righteousness in Social Judgment

Rezensent(en):
Jörg Kußmaul
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. September 2016 (online)

Hintergrund: Viele Menschen in westlichen Kulturen schätzen sich selbst moralischer ein als ihre Mitmenschen. Diese vermeintlich tugendhafte Überlegenheit basiert auf einer oftmals unrealistischen und zu positiven Eigenreflexion, welche in einem Selbstbild der implizierten Selbstgerechtigkeit münden kann.

Die unterschiedliche Selbst- und Fremdeinschätzung kommt dadurch zustande, dass Informationen, Erlebnisse und Erfahrungen um die eigene Person intensiver und interessierter wahrgenommen werden als die anderer Menschen. Weiterhin werden die Sinneseindrücke als ein passend gemachtes Puzzlestück in die eigene Wahrnehmung eingebettet. Dies kann beispielhaft dazu führen, dass sich ein Teamleiter für einen sehr guten Vorgesetzten hält, während die Teammitglieder die Führungseigenschaften als verbesserungswürdig empfinden.

Diese Forschungsarbeit beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Ausprägungen von Selbstgerechtigkeit und Moral. Hierfür wurden die eigenen und fremden moralischen und unmoralischen Verhaltensweisen bezogen auf Ereignisse in der Vergangenheit und beispielhafte Verhaltenssituationen in der Zukunft bestimmt.

Methode: In sieben verschiedenen Experimenten wurden die potenziellen Verhaltensweisen für exemplarische Verhaltenssituationen von 64 bis zu 269 Probanden unterschiedlicher Professionen abgefragt. Anschließend wurden diese hinsichtlich objektiver Kriterien für moralisches beziehungsweise unmoralisches Verhalten evaluiert.

Die Fragestellungen bezogen sich zuerst auf die Selbsteinschätzung und dann auf die Fremdbeurteilung. Damit die Objektivität der Studie gewährleistet ist, wurde ein Test gemacht, um sozial erwünschtes Antwortverhalten ausschließen zu können. In einem abschließenden Experiment wurden vergangene Verhaltensweisen auf ihre Moral hin eruiert.

Ergebnis: Die meisten Menschen bezeichnen sich selber als moralisch. Die Ergebnisse aller Experimente weisen darauf hin, dass die Wahrnehmung der subjektiven Selbstgerechtigkeit im Kontext mit der Umwelt aber eingeschränkt ist. Demnach ist das individuelle Selbstgerechtigkeitsempfinden ausgeprägter, wenn unmoralische im Vergleich zu moralischen Verhaltensweisen beurteilt wurden. Diese Personen sind weiterhin überzeugt, dass sie im Vergleich zu anderen Menschen in künftigen Situationen generell moralischer handeln würden.

Fazit: Nur in Einzelfällen schätzen sich Personen mit einem subjektiv hohen Moralverhalten im Vergleich zu Mitmenschen als geringfügig unmoralischer „less holy“ aber keineswegs als boshafter „more evil“ ein.