Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2016; 21(05): 218
DOI: 10.1055/s-0042-116484
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Urteil zu Honorarärzten – Notarztdienst auf Rettungswagen wird teurer

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Publication Date:
25 November 2016 (online)

Dass laut dem Bundessozialgericht in Rettungswagen Mecklenburg-Vorpommerns künftig keine Honorar-Notärzte mehr beschäftigt werden dürfen, könnte sich auch auf alle anderen Bundesländer auswirken.

Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) dürfen in Rettungswagen in Mecklenburg-Vorpommern künftig keine Honorar-Notärzte mehr beschäftigt werden. Die Richter in Kassel bestätigten damit ein Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern, das die Beschäftigung als Scheinselbstständigkeit eingestuft hatte. Statt dessen müssten die Notärzte sozialversicherungspflichtig angestellt werden. Einige Experten sehen deshalb die Notarztversorgung bundesweit in Gefahr. Laut Peter H. Kilian, dem Geschäftsführer der Vermittlungsagentur Stegdoc, wurden die Krankenhäuser Banden-Württembergs aufgrund eines früheren Urteils zur Scheinselbständigkeit des Landes-Sozialgerichtes vom 17.4.2013 bereits vorgewarnt. „Aufgrund des Urteils sind diese Krankenhäuser bereits dazu übergegangen, Ärzte im Notarztdienst anzustellen oder im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung einzusetzen“, ergänzt Roland Baier, Personaldirektor der Regionale Kliniken Holding (RKH). „Der Einsatz von Honorarärzten dürfte nach meiner Einschätzung zumindest in Baden-Württemberg stark rückläufig sein.“

Nach Auskunft der Notarzt-Börse im schleswig-holsteinischen Pogeez sind schätzungsweise 60–70 % der bislang eingesetzten Notärzte eigentlich in Krankenhäusern angestellt und betreiben den Notarzt-Dienst als Nebentätigkeit. Weitere 20 % hätten private Praxen, und lediglich rund 10 % lebten als reine Freelancer wirklich von der Arbeit als Notarzt, sagt Olaf Björk von der Notarzt-Börse. Das Unternehmen zählt rund 4 900 Mitglieder und vermittelt bundesweit 14 000 bis 15 000 Notarzteinsätze pro Jahr.

Für Mecklenburg-Vorpommern habe die Entscheidung gravierende Folgen, fürchtet Björk. Viele Kollegen seien frustriert, genügend Ärzte, die an einer Festanstellung als Notarzt interessiert seien, gebe es nicht. Um sie trotzdem nicht zu verprellen, hoffen Experten deshalb, dass die zuständigen Bundesministerien für Arbeit und Gesundheit eine Übergangslösung beschließen.

Stephan Porten, Fachanwalt für Medizinrecht bei BDO Legal, sieht als Folge der BSG-Entscheidung auch bundesweite Konsequenzen. Das Bundessozialgericht habe klargemacht, wie es auch in vergleichbaren Fällen entscheiden würde, sagt Porten. „Es muss davon ausgegangen werden, dass die Sozialversicherungsträger die Entscheidung des BSG zum Anlass nehmen, die Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten jetzt ebenso in anderen Bundesländern gerichtlich durchzusetzen.“ Wenn das Mecklenburg-Vorpommersche Beispiel jedoch Schule mache, werde der heute zu großen Teilen von Honorarärzten bestrittenen notärztlichen Versorgung deutschlandweit eine wesentliche Grundlage entzogen. Das gelte ganz besonders im ländlichen Raum.

Die Verantwortlichen in den Rettungsdiensten stünden jetzt vor einer gewaltigen Aufgabe, erklärt Porten. Verschärfend wirke in diesem speziellen Fall, dass das für die benachbarten Bundesländer Berlin und Brandenburg zuständige Landessozialgericht Potsdam die Rechtslage bisher anders beurteile. Derzeit könnten Ärzte also noch in die unmittelbare Nachbarschaft ausweichen und dort auf Honorarbasis weiterarbeiten. In anderen Bundesländern, so heißt es bei BDO Legal, fehle noch die entsprechende Rechtsprechung, so dass auch diese Ausweichmöglichkeiten böten. Bundesweit gibt es nach Schätzungen der Notarzt-Börse rund 1 230 Notarztstandorte, und nur 30 % davon werden demnach von angestellten Ärzten besetzt. Sollte sich die Ansicht der Sozialgerichte durchsetzen, seien 860 Notarzt-Einsatzfahrzeuge ab sofort nicht mehr zu besetzen. In diesem Fall werde der Notarztdienst auf Rettungswagen deutlich teurer, so Peter Kilian von Stegdoc.

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Honorarärzte, die als Notärzte auf Rettungswagen unterwegs sind, könnten schon bald der Vergangenheit angehören.

kma – Das Gesundheitswirtschaftsmagazin