Gesundheitswesen 2018; 80(S 01): S12-S21
DOI: 10.1055/s-0042-116592
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Analyse von Daten aus der Einschulungsuntersuchung zur Evaluation von Fördermaßnahmen in Kindertageseinrichtungen im Landkreis Biberach

Benefits of Measures to Promote Development in Language, Mathematics and Singing in Kindergardeners: Analysis of Data Collected at School Entrance Examination in the County of Biberach
Ulrike Hart
1   Gesundheitsamt, Landratsamt, Sigmaringen
,
Manfred Wildner
2   LGL, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Oberschleißheim
,
Daniela Krämer
3   Landesinstitut für Schulentwicklung, Baden-Württemberg, Stuttgart
,
Alexander Crispin
4   Institut für Biometrie und Bioinformatik, Ludwig-Maximilians-Universität, München
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
13 February 2017 (online)

Zusammenfassung

Ziel

Anhand von Daten der Einschulungsuntersuchung (ESU) sollen die Effekte der Einführung von Fördermaßnahmen im Bereich Sprache, Mathematik und Singen in den 161 Kindertageseinrichtungen des Landkreises Biberach untersucht werden. Es handelt sich nicht um eine geplante Interventionsstudie, sondern um eine Analyse von Gebrauchsdaten.

Methodik

ESU-Daten der Einschulungsjahrgänge 2011–2014 (Kinder untersucht in den Schuljahren 2009/2010–2012/2013) aus dem Landkreis Biberach werden in Studie 1 (N=7 148 Kinder) durch Mittelwertsvergleiche und mittels multipler linearer Regression analysiert und in Studie 2 (N=3×80 000 Kinder) deskriptiv mit denen des Landes Baden-Württemberg (BW) verglichen. In Studie 3 (N=1 783 Kinder) wird in einer Querschnittsanalyse des Einschulungsjahrganges 2014 im Landkreis Biberach der Zusammenhang zwischen Förderangeboten und Entwicklungsstand mittels einer logistischen Regression untersucht.

Ergebnisse

In den Entwicklungsbereichen Sprache, frühe Mathematik sowie visuelle Wahrnehmung und Visuomotorik ergeben sich in Studie 1 vom Einschuljahrgang 2011–2014 statistisch signifikante Leistungsverbesserungen, allerdings nicht im Bereich Grobmotorik. Die Landesdaten zeigen in Studie 2 dagegen keine Hinweise für eine ähnliche Leistungsverbesserung. In Studie 3 ist Mathematikförderung mit günstigeren Entwicklungsprofilen verbunden (frühe Mathematik OR 0,72 [0,55–0,94], grammatische Kompetenz 0,75 [0,59–0,95], auditive Merkspanne 0,53 [0,40–0,70]). Kinder mit Singförderung unterscheiden sich nicht von Kindern ohne Singförderung. Kinder in speziellen Sprachfördergruppen, haben nach 6-monatiger Förderung, meist im Umfang von 4×30 min pro Woche, wie zu erwarten, immer noch ein größeres Risiko für Sprachdefizite (OR 3,32 [2,57–4,28] für grammatische Kompetenz). Sie fallen aber auch in anderen Bereichen, insbesondere im Verhalten häufiger auf (Hyperaktivität OR 3,08 [2,12–4,46]). Kinder, die mit einer nichtdeutschen Familiensprache aufwachsen, sind häufiger im Sprachbereich auffällig (OR 2,78 [2,15–3,59]), aber weniger häufig im Bereich Visuomotorik (OR 0,52 [0,36–0,77]) und Hyperaktivität (0,51 [0,34–0,78]).

Schlussfolgerung

Die Analysen von Daten aus der Einschulungsuntersuchung zeigen im Verlauf von 4 Jahren signifikante Leistungsverbesserungen für die Kinder aus dem Landkreis Biberach. Aufgrund des Querschnittsdesigns der Studie sind kausale Schlussfolgerungen nicht möglich. Die Ergebnisse deuten auf das positive Einwirken eines „Biberacher Förderfaktors“ hin. Die Effektstärken entsprechen denen, die die aktuelle Forschung für Kindertageseinrichtungen mit hoher pädagogischer Qualität berichtet.

Abstract

Objectives

To evaluate the benefits of implementing measures to promote skills in the areas of language, mathematics and singing in kindergardeners by statistical analysis of data collected during the school entrance examination (ESU) of 4–5-year-old children from the county of Biberach.

Methods

Study 1 employs multivariate regression analysis to analyse – in chronological order – the ESU data on 4 cohorts (2011–2014; n=7 148) of children of the Biberach county. Study 2 qualitatively compares identical data representative of the entire state of Baden-Württemberg (N=3×80 000) with the Biberach results. Study 3 focuses on the cohort 2014 in Biberach county (n=1 783) and employs logistical regression techniques to correlate curriculum content and child development.

Results

There are significant performance improvements in the Biberach population (2011–2014) in the development of language and early mathematics, as well as in visual comprehension and visuomotor skills, but not in the area of gross motor skills. Similar improvements are much more difficult to demonstrate for the entire state of Baden-Württemberg. The detailed analysis of the 2014 Biberach County data reveal that kindergardeners with increased exposure to mathematics will have a decreased risk of failure in early mathematics (OR 0.72) and grammar skills (OR 0.53–0.75). Children with speech impairment or children not fluent in German that had extra language tutorials, typically in small groups and 4 times a week for 30 min, still have a higher risk of failure in all developmental aspects, save gross motor skills (e. g. OR 3.32 in grammar skills, OR 3.08 for hyperactivity). Programs with emphasis on singing have little effect on the above data. The risk of failure in German language is high (OR 2.78) for those of non-German backgrounds, but less in visuomotor skills (OR 0.52) and hyperactivity (OR 0.51).

Conclusions

Statistical analyses show positive correlation of curriculum content and early child development for the kindergardens in Biberach county. The gains in performance are consistent with those reported from kindergardens known for pedagogical excellence.