Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(05): 191
DOI: 10.1055/s-0042-116984
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Geburtshilfe
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TNF-α-Blockade bei Schwangeren – Medikamentenkonzentrationen bei Neugeborenen

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Publikationsdatum:
20. Oktober 2016 (online)

Hintergrund: Die Blockade des Tumornekrosefaktors(TNF)-α hat sich bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) bewährt. Da der Altersgipfel der CED im 2. und 3. Lebensjahrzehnt liegt, erfolgt die Behandlung häufig auch während einer Schwangerschaft, mit entsprechender Exposition des Fetus. Zum Abbau der Substanzen beim Säugling ist aber wenig bekannt. Eine internationale Gruppe um Mette Julsgaard hat sich dieser Frage angenommen.

Methoden: Die Mediziner nahmen 80 Schwangere in Dänemark, Australien und Neuseeland in ihre prospektive Beobachtungsstudie auf. Bei allen Frauen bestand eine gesicherte CED, die mit Adalimumab (n = 36) oder Infliximab (n = 44) behandelt wurde, im Median seit 2 ½ Jahren. Die Wissenschaftler bestimmten die Konzentrationen der beiden TNF-α-Inhibitoren bei der Mutter unmittelbar nach der Geburt, im Nabelschnurblut und in der Folge bei den Kindern alle 3 Monate. Die Untersuchung der Säuglinge wurde so lange wiederholt, bis die Werte unter die Nachweisgrenze abgefallen waren. Als Endpunkte beurteilten die Mediziner die Clearance der beiden Medikamente aus dem kindlichen Kreislauf sowie die Häufigkeit von Infektionskrankheiten im 1. Lebensjahr.

Ergebnisse: Die Auswertung zeigte, dass die Medikamentenkonzentrationen bei der Geburt umgekehrt mit dem Intervall seit der letzten Einnahme korrelierten, sowohl bei den Frauen als auch im Nabelschnurblut. Dabei war die Konzentration bei den Kindern deutlich höher als bei den Müttern, mit einem Verhältnis von 1,21 (Adalimumab) bzw. 1,97 (Infliximab). Adalimumab war nach im Mittel 4 Monaten und Infliximab nach im Mittel 7,3 Monaten aus der Zirkulation eliminiert, unabhängig davon, ob die Kinder gestillt wurden. Die geschätzte Halbwertszeit betrug danach 26 Tage für Adalimumab und 33 Tage für Infliximab, ohne Zusammenhang zwischen Halbwertszeit und Konzentrationen im Nabelschnurblut.

Bei 72 Kindern waren Daten zur Entwicklung bis Monat 12 nach der Geburt verfügbar. Vier dieser Säuglinge erkrankten an einer bakteriellen Infektion, die antibiotisch kontrolliert werden konnte, und 16 Kinder an einer Virusinfektion. Die Konzentration der TNF-α-Inhibitoren zum Zeitpunkt der Geburt zeigte dabei keinen Zusammenhang mit dem Infektionsrisiko. Allerdings kam es bei Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft zusätzlich ein Thiopurin erhalten hatten (z. B. Azathioprin), nahezu 3-mal so oft zu einer Infektion (relatives Risiko 2,7) wie bei Kindern von Müttern unter Monotherapie. Die neurologische und Verhaltensentwicklung aller Kinder verlief bis zum 1. Lebensjahr unauffällig.

Fazit

Nach diesen Daten lassen sich bei Kindern, deren Mütter wegen einer CED in der Schwangerschaft einen TNF-α-Inhibitor erhalten haben, die Medikamente noch mehrere Monate nach der Geburt nachweisen. Diese Kinder sollten daher Impfungen mit Lebendimpfstoffen erst nach dem 12. Monat oder bei gesicherter vollständiger Clearance des Medikaments erhalten, meinen die Autoren. Frauen, die zusätzlich Thiopurin erhalten haben, sollten über das erhöhte Infektionsrisiko ihres Kindes aufgeklärt werden, sodass sie ggf. frühzeitig professionelle Hilfe suchen. Weitere Studien mit längerer Nachbeobachtungszeit müssen nun Infektionsrisiken und die allgemeine Entwicklung über das 1. Lebensjahr hinaus untersuchen.

Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim