Frauenheilkunde up2date 2016; 10(06): 511-527
DOI: 10.1055/s-0042-117547
Geburtshilfe und Perinatalmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Frauenmilchbanking im Perinatalzentrum

Ralf Böttger
,
Gerhard Jorch
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Publication Date:
10 January 2017 (online)

Kernaussagen

  • Muttermilch ist die erste Wahl zur enteralen Ernährung von Früh- und Neugeborenen. Frauenmilch stellt noch vor Formulanahrung eine ausgezeichnete Alternative dar. Alle Inhaltsstoffe von Muttermilch sind nicht mit handelsüblicher Säuglingsnahrung zu imitieren, Muttermilch enthält neben den Nährstoffen auch immunologisch, prä- und probiotisch und hormonell wirksame Substanzen.

  • Die Ernährung von Neugeborenen und Frühgeborenen mit Muttermilch und Frauenmilch senkt die Rate an NEC, ROP, BPD und Sepsis. Die Kinder sind schneller voll enteral ernährt, das neurologische Outcome ist besser und die Rehospitalisierungsrate im 1. Lebensjahr ist geringer verglichen mit Formulanahrung.

  • Eine Frauenmilchbank reduziert den Gebrauch von Formulanahrung und beeinflusst die Stillrate bei Entlassung nicht negativ.

  • Beim Umgang mit Frauenmilch müssen feste Standards eingehalten werden, damit die Spende sicher und mikrobiologisch einwandfrei verabreicht werden kann. Pasteurisieren ist mikrobiologisch eine sichere Methode zur Verabreichung von Frauenmilch.

  • Frauenmilchspenderinnen müssen wie bei einer Blutspende gescreent werden auf HIV, Hepatitis B und C sowie Syphilis. Die Spenderin muss anhand eines Fragebogens über anamnestische Risiken befragt werden und schriftlich in die Spende einwilligen.

  • Bei der Verwendung roher Frauenmilch müssen die Spenderinnen CMV-, IgM- und IgG-negativ sein und jede gespendete Flasche muss mikrobiologisch untersucht und nach festen Kriterien beurteilt werden.

  • Durch Pasteurisieren gehen wichtige Inhaltsstoffe verloren oder verlieren an Aktivität (Lysozym, IgG, Wachstumsfaktoren oder Lipase). Für Frühgeborene benötigt man für ein optimiertes Wachstum eine individuelle Substitutionsanpassung bei Fütterung mit Muttermilch oder Frauenmilch.

  • Das Beziehen von Muttermilch über private Muttermilchbörsen oder andere vergleichbare Vermittlungsstellen ist abzulehnen. Gespendete Frauenmilch sollte nur über etablierte Frauenmilchbanken abgegeben werden. Dadurch wird z. B. die potenzielle Übertragung von CMV, HIV, Herpes, B-Streptokokken o. ä. verhindert.

  • Die erste Frauenmilchbank in Deutschland gibt es seit 1919. Aktuell ist eine Versorgung mit Frauenmilch mehrheitlich nur im Osten Deutschlands, in München und in Dortmund gegeben. Es wäre wünschenswert, dass weitere Frauenmilchbanken in Perinatalzentren im restlichen Teil Deutschlands entstehen.