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DOI: 10.1055/s-0042-120728
Akute schwangerschaftsbedingte oder chronische Erkrankung in der Schwangerschaft: Macht es einen Unterschied?
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
01. März 2017 (online)
Unser aktueller Schwerpunkt widmet sich Erkrankungen in der Schwangerschaft und umfasst Informationen zur medizinischen Versorgung und Hebammenbetreuung bei einer chronischen (HIV) sowie zwei akuten Erkrankungen (Anämie und Präeklampsie).
Eine Frage stellt sich: Ergibt sich für die betroffenen Frauen und für die Hebammenbetreuung ein Unterschied, je nachdem ob es sich um eine akute oder chronische Erkrankung handelt? Was wissen wir darüber?
Egal ob mit oder ohne Krankheitsdiagnose, egal ob mit einer chronischen oder einer akuten Erkrankung – alle Schwangeren finden in Deutschland eine vergleichbare Versorgungsstruktur vor und fast alle nehmen das etablierte Angebot der Schwangerenvorsorge wahr. Allerdings unterscheidet sich das subjektive Erleben der Frauen, sie beschäftigen sich mit jeweils anderen Fragen und interagieren somit unterschiedlich mit Ärzt*innen und Hebammen.
Akute Schwangerschaftserkrankungen werden von betroffenen Frauen als vorübergehende Störung in einem als grundsätzlich gesund geltenden Körper angesehen. Dies kann sich positiv auf die Akzeptanz von Maßnahmen und Therapien auswirken. Andererseits müssen sich die Frauen mit Verunsicherung und mit Stress auseinandersetzen, auf den sie nicht eingestellt sind. Sie können meist nicht auf bewährte Bewältigungsstrategien in Bezug auf die Erkrankung zurückgreifen. Gynäkolog*innen und Hebammen wiederum sind unmittelbar beteiligt an den Phasen von Diagnostik und Therapie und haben so gesehen einen ähnlichen Kenntnisstand wie die Schwangere. Diese Umstände erleichtern die Kommunikation.
Frauen mit einer chronischen Erkrankung hingegen antizipieren durch die dauerhafte Krankheitserfahrung die möglichen Langzeitfolgen von Schwangerschaft und Geburt auf ihre Gesundheit. Sie sind meist in einem variierenden Zustand von Kontrolle und Vorsicht. Gleichzeitig sind sie Expertinnen im Umgang mit der eigenen Erkrankung und oftmals routiniert im Ausbalancieren und Bewerten von Symptomen. Auch in neuen Situationen und unter geänderten Bedingungen können sie auf ihr bewährtes Wissen zurückgreifen und erleben sich als kompetente Partnerin in medizinischen Abstimmungsprozessen.
Gynäkolog*innen und Hebammen müssen daher ihre Empfehlungen und Maßnahmen anpassen und zwar an das erprobte Management der eigenen Krankheit dieser Frauen. Das Wissen der Frauen muss in die Betreuung integriert werden. Dies erfordert von allen Beteiligten die gegenseitige Anerkennung der Fähigkeiten.
In Deutschland haben alle Schwangeren einen Anspruch auf Hebammenhilfe, ob ohne oder mit Erkrankungen. Das ist nicht selbstverständlich. In einigen Gesundheitssystemen Europas ist die Hebammenhilfe auf gesunde Frauen beschränkt. Hebammen haben in Deutschland somit den Auftrag, sich mit den Auswirkungen von Krankheit im Zusammenhang von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zu beschäftigen. Sie haben diesen Auftrag, obwohl sie nicht unmittelbar für die Diagnostik und Therapie verantwortlich sind.
Die Artikel unseres Schwerpunktes sollen Sie darin unterstützen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß und Inspiration beim Lesen!
Ute Lange