Gesundheitswesen 2019; 81(04): 299-308
DOI: 10.1055/s-0042-124672
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vereinbarkeit von Familie und Arztberuf – eine repräsentative Umfrage in München bei Ärztinnen und Ärzten unterschiedlicher Tätigkeitsbereiche

Compatibility of Work and Family Life: Survey of Physicians in the Munich Metropolitan Area
Meike Lauchart
1   Ausschuss Beruf und Familie, Ärztlicher Kreis- und Bezirksverband München, München
,
Philipp Ascher
1   Ausschuss Beruf und Familie, Ärztlicher Kreis- und Bezirksverband München, München
,
Karin Kesel
1   Ausschuss Beruf und Familie, Ärztlicher Kreis- und Bezirksverband München, München
,
Sabine Weber
1   Ausschuss Beruf und Familie, Ärztlicher Kreis- und Bezirksverband München, München
,
Beatrice Grabein
1   Ausschuss Beruf und Familie, Ärztlicher Kreis- und Bezirksverband München, München
,
Bertram Schneeweiss
1   Ausschuss Beruf und Familie, Ärztlicher Kreis- und Bezirksverband München, München
,
Cordula Fischer-Truestedt
1   Ausschuss Beruf und Familie, Ärztlicher Kreis- und Bezirksverband München, München
,
Michael Schoenberg
1   Ausschuss Beruf und Familie, Ärztlicher Kreis- und Bezirksverband München, München
,
Gudrun Rogler
1   Ausschuss Beruf und Familie, Ärztlicher Kreis- und Bezirksverband München, München
,
Claudia Borelli
1   Ausschuss Beruf und Familie, Ärztlicher Kreis- und Bezirksverband München, München
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. Mai 2017 (online)

Zusammenfassung

Ziel Untersuchung der Ist-Situation der Vereinbarkeit von Familie und Arztberuf im Großraum München.

Methodik Befragung einer repräsentativen Stichprobe von 1 800 Ärztinnen und Ärzten mittels eines Fragebogens.

Ergebnisse Männer sind unzufriedener mit der Vereinbarkeit als Frauen (7% sehr zufrieden vs. 21%). Ärztinnen und Ärzte, die im Krankenhaus (KH) arbeiten sind signifikant weniger zufrieden als jene mit einem Arbeitsplatz außerhalb (p<.001, chi-Quadrat=122,75). Frauen stellen aufgrund der Kinder häufiger ihre Karriere zurück, sehen ihr berufliches Fortkommen beeinträchtigt, verzichten häufiger auf eine Niederlassung oder geben ihren Arbeitsplatz im KH auf. Die Befragten wünschen sich eine flexible Kinderbetreuung und einen Betreuungsdienst, falls die etablierte Betreuung ausfällt. Dies ist für die meisten nicht gegeben. Die Krankenhausärzte (w/m) wünschen sich planbare Arbeitszeiten, sowie Mitbestimmung bei deren Festlegung. Für den Großteil der Befragten ist dies keine Realität. 80% geben an, die Mitsprache bei der Festlegung der Arbeitszeit sei ihnen sehr wichtig, dies ist aber nur bei 17% tatsächlich gut möglich. 86% der Krankenhausärzte (w/m) ist Teilzeitarbeit wichtig, über 30% können dies an ihrem Arbeitsplatz nicht umsetzen. Bei den Niedergelassenen ist der Wunsch nach beschleunigten Verfahren durch die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) bei der Beantragung von Vertretern am stärksten ausgeprägt. Am zweitwichtigsten ist die Möglichkeit, Notdienste abgeben zu können. Dies kann knapp ein Drittel auch realisieren. 36% der Befragten sind der Ansicht, dass die Vereinbarkeit von Familie und Arztberuf am besten außerhalb der Patientenversorgung gegeben sei, unter den Assistenzärzten in Weiterbildung (WB) sind es 42%. Nur 6% aller Befragten sehen die beste Vereinbarkeit im KH. Die Niedergelassenen halten ihre selbständige ärztliche Tätigkeit zu einem erheblichen Anteil (34%) für am besten vereinbar. Viele Fachärzte (w/m) (19%) und viele Assistenzärzte (w/m) in WB (24%) halten eine Anstellung in der Praxis für am besten geeignet. Dabei sehen Frauen häufiger als Männer (27 vs. 13,%) die Anstellung in der Praxis als beste Möglichkeit.

Schlussfolgerung In München besteht ein hoher, bislang nicht gedeckter Bedarf an flexibler Kinderbetreuung. Es besteht der Wunsch nach mehr Mitsprache bei der Gestaltung der Arbeitszeiten und der Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten. Im niedergelassenen Bereich besteht der Wunsch, Vertretungsmöglichkeiten flexibler und weniger bürokratisch zu gestalten. Unter den aktuellen Bedingungen sehen sich besonders Ärztinnen am beruflichen Fortkommen gehindert. Der Arbeitsplatz Krankenhaus wird als extrem ungünstig für die Vereinbarkeit wahrgenommen. Die selbständige Tätigkeit (Praxis) wird in der Arbeitsrealität positiver bewertet als dies ihr Ruf ist.

Abstract

Aim Investigation of the compatibility of work and family life for physicians in the Munich metropolitan area.

Methods Survey of a representative sample of 1,800 physicians using a questionnaire.

Results Men were less satisfied (7% very satisfied vs. 21%) with compatibility between work and family life than women. The group least satisfied overall was hospital-based physicians (p=0.000, chi-square=122.75). Women rather than men cut back their career due to children, perceived their professional advancement as impaired, desisted from establishing private practice or quit hospital employment altogether. Respondents strove for flexible childcare and makeshift solution if the established service failed. Most did not have that at their disposal. Hospital-based physicians wished for predictable working hours, and would like to have a say in the structure of their schedule. For the majority this was not the case. While for 80% it would be important to participate in the definition of their working hours, this was only possible in 17%. 86% found the opportunity to work part-time important, but many doctors (more than 30%) did not have that option. The biggest help for office-based physicians would be an expedited procedure by the Bavarian Association of Statutory Health Insurance Physicians (KVB) when applying for a proxy. The second most important would be the ability to hand over on-call duties. 36% of respondents felt that compatibility of work and family life was best achieved outside of patient care, during residency 42% believed this to be the case. Only 6% of physicians felt the best compatibility to be achieved in a hospital. Among the physician owners of practices, 34% considered their model to be the best way to reconcile both aspects of life.

Conclusion More flexible options for childcare and more influence on the definition of working hours are necessary in order to better reconcile work and family life. For office-based physicians it must be made easier to find a substitute. Currently, especially women consider children as hindering their careers. Hospitals are perceived as extremely unfavorable workplaces for achieving compatibility between work and family life.

 
  • Literatur

  • 1 Marburger Bund. Mitgliederbefragung LV Mecklenburg-Vorpommern 2014/15. www.marburger-bund.de
  • 2 Hartmannbund. Haben Frauen faire Chancen im Arztberuf? http://www.hartmannbund.de
  • 3 Hartmannbund. Assistenzarztumfrage. 2014; http://www.hartmannbund.de
  • 4 Hancke K, Todt B, Kreienberg R. Umfrage: Karriere und Familie – unmöglich? Dtsch Arztebl 2011; 108
  • 5 Lüftner D, Letsch A, Wünsch K et al. Die berufliche Situation von Frauen in der Hämatologie und Onkologie Fakten und Forderungen. DGHO-Schriftenreihe 2014 Band 5
  • 6 Bundy B, Bellemann N, Burkholder I. et al. Vereinbarkeit von Familie und Beruf Umfrage unter Radiologen und medizinisch-technischen Angestellten in Kliniken unterschiedlicher Ausrichtung. Radiologe 2012; 52: 267-276
  • 7 Behmann M, Schmiemann G, Lingner H. et al. Job satisfaction among primary care physicians: results of a survey. Dtsch Arztebl Int 2012; 109: 193-200
  • 8 Buxel H. Arbeitsplatz Krankenhaus Was Ärzte zufriedener macht. Dtsch Arztebl 2013; 110
  • 9 MB-Mon1itor. 2015; http://www.marburger-bund.de
  • 10 Engelmann C, Grote G, Miemietz B. et al. Weggegangen – Platz vergangen? Karriereaussichten universitären Gesundheitspersonals nach Rückkehr aus einer Elternzeit: Befragung und Beobachtungsstudie. Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: e28-e35
  • 11 Hartmannbund. 3 Kreuze zur Arbeitszeit. http://www.hartmannbund.de
  • 12 Ärztestatistik 2014 der Bundesärztekammer. www.bundesärztekammer.de
  • 13 Mitglieder-Jahresstatistik. 2014; Der Bayerischen Landesärztekammer.http://www.blaek.de