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DOI: 10.1055/s-0042-1753599
Stakeholder-Perspektiven auf die Nutzenden von Pflegerobotik an der Intersektion Alter und Geschlecht – Eine empirisch-ethische Analyse
Einleitung Der demographische Wandel sowie der Fachkräftemangel in der Pflege sind zentrale Herausforderungen für die Versorgung älterer Menschen. Der Einsatz von Pflegerobotik wird oftmals als ein vielversprechender Lösungsansatz verstanden, um älteren Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und eine gute Versorgung zu garantieren. Allerdings wirft der Einsatz von Pflegerobotik Fragen der moralischen Akzeptabilität auf, z.B. im Hinblick auf Diversitätssensibilität und Diskriminierung. Insbesondere stellen sich die Fragen, inwiefern die subjektiven Vorstellungen von Expert*innen aus der Technikentwicklung und -implementierung über Alter und Geschlecht ihrer Nutzenden Diversitätssensibilität aufweisen und bei der Entwicklung und dem Einsatz von Pflegerobotik eine Rolle spielen.
Methoden Im Rahmen einer explorativen Studie wurden qualitative Interviews (n=16, April-Juni 2021) mit Expert*innen aus der Technologieentwicklung und der Vermarktung von Pflegerobotik sowie aus der Pflege in Deutschland geführt. Mit Hilfe eines semi-strukturierten Leitfadens wurde dabei die Bewertung der Relevanz des Alters und des Geschlechts der Nutzenden aus der Perspektive der Expert*innen ermittelt. Die Interviews wurden inhaltsanalytisch mit Hilfe von MAXQDA ausgewertet.
Ergebnisse Die Studienergebnisse zeigen, dass die befragten Expert*innen Vorannahmen bezüglich der Nutzenden der Pflegerobotik haben, die sich in drei verschiedene Gruppen gliedern lassen: 1) Expert*innen artikulieren Vorannahmen bezüglich Alter und Geschlecht der Nutzenden, 2) Expert*innen sehen andere Kategorien als Alter und Geschlecht als relevant an und haben Vorannahmen bezüglich dieser Kategorien, wie zum Beispiel Bildung oder Kultur, 3) Expert*innen halten soziale Kategorien generell für nicht relevant in Pflegerobotik und geben an, dass ihre Vorannahmen nicht von diesen geprägt sein könnten. Mit Hilfe eines intersektionalen, care-ethischen Analyseansatzes zeigt sich, dass in der Wahrnehmung der Expert*innen die Diversität von Nutzenden oftmals von stereotypen Annahmen bezüglich ihres Alters und Geschlechts überlagert wird.
Schlussfolgerung Die Analysen legen nahe, dass dies in Technikentwicklung und -implementierung zu einer Diskriminierung von Nutzenden und einer nicht bedarfsgerechten Anwendung der Pflegerobotik führen kann. Die ethische Erörterung der Ergebnisse unterstreicht sowohl die Bedeutung als auch das Desiderat einer diversitätssensiblen partizipativen Technologieentwicklung, die die Diversität der Nutzenden bereits in der Entwicklung und Implementierung stärker einbezieht. Hierfür muss die partizipative Entwicklung eine größere Sensibilität gegenüber der Diversität der potenziellen Nutzenden zeigen. Dabei kann insbesondere auch die Diversität der Entwickelnden selbst einen günstigen Einfluss auf die Diversitätssensibilität im Entwicklungsprozess von Pflegerobotik haben.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
22. August 2022
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Georg Thieme Verlag
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