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DOI: 10.1055/s-0042-1753863
Die Versorgungs- und Bedarfssituation von pflegebedürftigen Personen bei Hochwasser und Stromausfall
Einleitung Die vergangenen Naturkatastrophen an der Ahr und in Nordrhein-Westfalen haben gezeigt, dass die Versorgung der Bevölkerung in Krisenfällen mit besonderen Herausforderungen einhergeht. Evakuierungskonzepte im Falle eines mehrtägigen Starkregenereignisses mit gleichzeitigem Stromausfall sind für vulnerable Gruppe bisher kaum verfügbar. Im Hinblick auf die steigende Anzahl an außerklinisch versorgten Beatmungspatient*innen, für die die Stromversorgung eine essenzielle Bedeutung hat, ergibt sich bei einem großflächigen, mehrtägigen Stromausfall akute Lebensgefahr. Das Projekt LifeGRID beschäftigt sich mit der Entwicklung und Erprobung eines Evakuierungs- und Versorgungskonzeptes für pflegebedürftige Menschen in der Wesermarsch, das auch auf andere Orte und Regionen übertragbar ist. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der aktuellen Versorgungssituation der Beatmungspatient*innen und ihrer zielgruppenspezifischen Bedarfe im Krisenfall.
Methoden Im Zeitraum von November 2021 bis Januar 2022 wurden zum einen Lehr- und Ausbildungspläne in der Pflege, dem Sanitäts- und dem Rettungsdienst hinsichtlich verwertbarer Inhalte zur Evakuierung beatmeter Patient*innen in flut- und energiekritischen Situationen ausgewertet. Zum anderen wurden qualitative, leitfadengestützte Experteninterviews (Meuser & Nagel, 2009) mit Personen aus dem Rettungsdienst, Pflegedienstleitungen und Pflegefachkräften aus der ambulanten Versorgung sowie einer pflegenden Angehörigen durchgeführt. Die Rekrutierung erfolgte nach vorab festgelegten Kriterien nach dem Vorliegen des positiven Ethikvotums. Die anonymisierten Daten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet.
Ergebnisse Insgesamt konnten vier Problemfelder identifiziert werden, die sich bei einem Starkregenereignis für die Versorgung von Beatmungspatient*innen ergeben. Dazu gehören organisatorische Herausforderungen, weil die Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren wie dem Rettungsdienst und Katastrophenschutz im Krisenfall ungeklärt ist. Die Interviewteilnehmenden sehen außerdem keine praktikablen Alternativen zu einer gesicherten Kommunikation bei Stromausfall. Individuelle Wohn- und Versorgungsformen erschweren im Vorfeld die Aufstellung eines gesamtheitlichen Notfallplans. Hinzu kommen zielgruppenspezifische Herausforderungen bei der Evakuierung wie der Patiententransport und begrenzte Akkulaufzeiten der Geräte.
Schlussfolgerung Da keine (ausreichenden) (Ausbildungs-)Konzepte für die Pflege unter Katastrophenbedingungen vorliegen, besteht ein deutlicher Handlungsbedarf bezüglich der Anpassung der Ausbildungscurricula. Zudem ist eine engere Kooperation der relevanten Akteure und die Förderung der Katastrophenkompetenz in der Bevölkerung im Allgemeinen und der Pflege im Besonderen notwendig. Dazu werden im Projekt LifeGRID derzeitig Implikationen und Konzepte für die Praxis erarbeitet.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
22. August 2022
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Georg Thieme Verlag
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