Gesundheitswesen 2022; 84(08/09): 862-863
DOI: 10.1055/s-0042-1753988
Abstracts | DGSMP/DGMS
Workshop

Psychosoziale Gefährdungsbeurteilungen in deutschen Unternehmen – Ergebnisse der ESENER-3-Studie

T Lunau
1   Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft, Saarbrücken, Deutschland
,
M Rigó
2   Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät – Centre for Health and Society, Institut für Medizinische Soziologie, Düsseldorf, Deutschland
,
S Sommer
3   Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin, Deutschland
,
M Wahrendorf
2   Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät – Centre for Health and Society, Institut für Medizinische Soziologie, Düsseldorf, Deutschland
,
D Beck
3   Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin, Deutschland
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Einleitung In der Europäischen Union sind Unternehmen gesetzlich verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz durchzuführen, die auch psychosoziale Risiken berücksichtigt. Allerdings fehlen belastbare empirische Befunde, wie verbreitet eine solche psychosoziale Gefährdungsbeurteilung ist und ob sie mit weiteren Maßnahmen zur Verringerung psychosozialer Risiken in den Betrieben einhergeht. Ziel dieser Studie ist es, die diesbezüglichen Kenntnisse am Beispiel Deutschlands zu erweitern. Dabei ist vor allem von Interesse, ob die Durchführung einer psychosozialen Gefährdungsbeurteilung entlang betrieblicher Merkmale variiert (bspw. Betriebsgröße) und ob sie mit weiteren konkreten Maßnahmen zur Verringerung psychosozialer Risiken einhergeht.

Methoden Die Analyse verwendet Daten der Europäischen Unternehmenserhebung über neue und aufkommende Risiken (ESENER-3, Jahr 2019) mit Informationen zur Durchführung einer psychosozialen Gefährdungsbeurteilung in insgesamt 2264 Unternehmen in Deutschland. Neben deskriptiven Analysen zur Beschreibung sowohl der Häufigkeit einer Gefährdungsbeurteilung als auch von Maßnahmen zur Verringerung psychosozialer Risiken, werden logistische Regressionsanalysen für die Zusammenhangsanalysen berechnet.

Ergebnisse Die Prävalenz von Gefährdungsbeurteilungen inklusive psychosozialer Risiken liegt bei 29%. Die Häufigkeit steht in Zusammenhang mit der Unternehmensgröße, wobei Gefährdungsbeurteilungen häufiger in größeren Unternehmen durchgeführt werden. Außerdem erhöht die Verfügbarkeit von Fachleuten für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit und Inspektionen durch die Arbeitsschutzbehörden die Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungsbeurteilung. Die Ergebnisse der Regressionsanalysen zeigen, dass Maßnahmen zur Verhütung psychosozialer Risiken zwar eher ergriffen werden, wenn eine Gefährdungsbeurteilung inklusive psychosozialer Risiken durchgeführt wurde (OR zwischen 1.2 und 2.3, je nach Maßnahme), dass aber ein beträchtlicher Anteil (je nach Maßnahme über 50%) der Unternehmen solche Maßnahmen auch ohne eine Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz ergreift.

Schlussfolgerung Die Studie bestätigt die bisherige Erkenntnis, dass deutsche Unternehmen große Defizite bei der Berücksichtigung psychosozialer Risiken in der Gefährdungsbeurteilung aufweisen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Stärkung der Arbeitsschutzberatung zu einer Verbesserung der Situation beitragen könnte. Die Studie zeigt aber auch, dass die ausschließliche Betrachtung der Umsetzung psychosozialer Gefährdungsbeurteilungen zu einem eingeschränkten Bild der betrieblichen Praxis des psychosozialen Risikomanagements führt. Die Bewertung und Verbesserung des Managements psychosozialer Risiken sollte daher auch konkreten Maßnahmen zur Verringerung psychosozialer Risiken am Arbeitsplatz Aufmerksamkeit widmen.



Publication History

Article published online:
22 August 2022

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