Osteologie 2022; 31(03): 227
DOI: 10.1055/s-0042-1755908
Abstracts
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Zwei typische Fälle einer schwangerschaftsassoziierten Osteoporose?

Barbara Katja Warnecke
1   Immanuel Khs Berlin, Innere Klinik/ Osteologie, Berlin
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Einleitung Im März 2021 wurden uns zeitgleich zwei junge Patientinnen mit multiplen frischen Wirbelkörperfrakturen stationär eingewiesen. Beide Patientinnen hatten vor kurzem entbunden.

Methode Die Aufnahme der Patientinnen erfolgte zur weiteren Diagnostik und Behandlung der Wirbelkörperfrakturen. Amamnestisch hatte die erste Patientin, 36 Jahre alt, schon nach der ersten Entbindung vor Jahren Schmerzen im Wirbelsäulenbereich mit einer Körperlängeneinbuße von 2 cm. Eine Diagnostik erfolgte damals nicht. Seit der 2. Entbindung 11/20 traten erneute Schmerzen im thorakolumbalen Übergang und eine zusätzliche Körperlängeneinbuße um 4 cm auf. Sie stillte insgesamt für 4 Monate. Es zeigten sich im MRT 14 WK-Frakturen, davon 11 frische Frakturen. Weitere osteologische Risikofaktoren bestanden in einer familiären Belastung seitens der Großmutter. Bei der zweiten Patientin, 34 Jahre alt, traten 5 Wochen vor der 1. Entbindung Schmerzen in BWS- und LWS-Bereich auf, sowie eine Körperlängeneinbuße um 10 cm. Das kurzzeitige Stillen für 2 Monate wurde bei uns beendet. Im MRT wurden 9 WK-Frakturen gesehen, davon 7 frische Frakturen. Anamnestisch erlitt die Patientin 2015 einen epileptischen Anfall auf dem Bett, bei der sie sich eine Humerusfraktur rechts und eine LWK2-Trümmerfraktur mit nachfolgender Spondylodesen-OP zuzog. Weitere osteologische Risikofaktoren bestanden in einer familiären Belastung seitens der Mutter, Nikotinkonsum bis12/19, Vitamin D-Mangel und einem einmaligen epileptischen Anfall mit nachfolgender LWK-2-Fraktur. Im Labor zeigten sich im Rahmen des Frakturgeschehens bei beiden Patientinnen erhöhte Knochenumbauparameter. Bei der zweiten Patientin zeigte sich allerdings eine erhöhte Tryptase. Labor: erste Patientin: Kalzium 2,34 mmol/l, anorganisches Phosphat 1,34 mmol/l, 25-OH-D 80 nmol/l, PTHintakt 30,4 ng/l, Beta-Crosslaps 674 pg/ml, Ostase 13,2 µg/l, P1NP 51 µg/l, Tryptase 8,7 µg/l Zweite Patientin: Kalzium 2,28 mmol/l, anorganisches Phosphat 1,27 mmol/l, 25-OH-D 66 nmol/l, PTHintakt 33,4 ng/l, Beta-Crosslaps 622 pg/ml, Ostase 26,5 µg/l, TRAP5b 3,8 U/l, P1NP 84,5 µg/l, Tryptase 37,7 µg/l Wir führten daraufhin eine Knochenbiopsie am Beckenkamm bei der zweiten Patientin durch. Knochenhistologie bei der zweiten Patientin: High turnover Osteoporose auf dem Boden einer systemischen Mastozytose mit interstitieller, perivaskulärer, peritrabekulärer und fokal clusterförmiger Manifestation. Es sind damit ein Majorkriterium (>15 Mastzellen pro Cluster) und 3 Minor-Kriterien (>25% fusiforme Mastzellen im Infiltrat, CD25-Expression, Serumtryptase>20 ng/ml) erfüllt.

Ergebnisse Diagnose der ersten Patientin: Schwangerschaftsassoziierte Osteoporose (vermutlich schon in der ersten Schwangerschaft) Schwangerschaftsassoziierte Osteoporose: Osteoporose, die durch Schwangerschaft und Stillzeit verursacht ist, Inzidenz 0,4 / 100.000 Frauen, Dunkelziffer vermutlich hoch. Meistens in der 1. Schwangerschaft, letztes Trimenon. Risikofaktoren: niedrige Knochenmasse (genetische Disposition, Ernährung, Lifestyle, Med., andere Osteoporose-RF). 99% des Kalziumreservoir sind im Knochen gebunden, 30 g Kalzium werden in der Schwangerschaft zum Kind transferiert (80% im letzten Trimenon). Stillzeit: deutlicher Knochenmasseverlust während der Stillzeit, Prolaktin fördert Milchbildung, führt zur Erniedrigung des Östrogenspiegel, starke negative Wirkung auf den Knochen. Bei der ersten Patientin wurde kein Hinweis auf sekundäre Osteopathien gesehen. Anamnestisch kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die schwangerschaftsassoziierte Osteoporose schon bei der ersten Schwangerschaft aufgetreten war und sie damals jedoch nicht weiter verfolgt wurde. Wir leiteten eine Off-Label-Therapie mit Teriparatid ein. Abgestillt hatte die Patientin schon. Des Weiteren wurde für eine ausreichende Kalzium- und Vitamin D-Zufuhr gesorgt. Bei ausreichendem Vitamin-D-Spiegel erhielt die Patientin1000-2000 I.E. Vitamin-D- und initial eine Kalziumsubstitution mit 500-1000 mg täglich. Es erfolgten umfangreiche physiotherapeutischen und balneophysikalische Anwendungen und Kräftigung der Rücken- und Bauchmuskulatur. Die Patientin erlernte ein rückenfreundliches Verhalten auch hinsichtlich der Versorgung des Säuglings. Kurzzeitiges Tragen einer Rückenorthese bei Bedarf. Diagnose der zweiten Patientin: Manifeste Osteoporose bei systemischer Mastozytose (vermutlich seit 2015) mit schwangerschaftsbedingtem Progress. Definition: Indolente systemische Mastozytose, Inzidenz 5- 10 / 1 Mio Einwohner pro Jahr. Klonale Erkrankung der hämatopoetischen Stammzelle, aktivierte Punktmutation des Kit-Gen (Codon D816V) mit abnormaler Akkumulation und gesteigerter Aktivität pathologisch veränderter Mastzellen. Diese Veränderung führt zu einer stetigen und unkontrollierten Vermehrung und gleichzeitig zu einem verzögerten Tod der Mastzelle. Ebenfalls werden ihre Mediatoren und Zytokine unkontrolliert ausgeschüttet. Bei der zweiten Patientin wies zunächst alles auf eine schwangerschaftsassoziierte Osteoporose hin. Im Labor zeigte sich allerdings eine erhöhte Tryptase, die Knochenbiopsie bestätigte dann eine systemische Mastozytose. Da die Patientin schon 2015 ungewöhnliche Frakturen erlitt, gehen wir davon aus, dass schon damals eine systemische Mastozytose vorlag. Wir leiteten eine Off-Label-Therapie mit Denosumab ein. Auch sie hatte schon abgestillt. Der Vitamin-D-Mangel wurde mit 3000 I.E. /Tag behandelt.

Diskussion Auch bei der seltenen schwangerschaftsassoziierten Osteoporose sollten trotz typischer Anamnese immer auch andere Ursachen ausgeschlossen werden, wie diese beiden Fälle zeigen. Beide Patientinnen kamen mit einem sehr ähnlichen und ausgeprägten Krankheitsbild zur stationären Aufnahme. Bei der Anamnese beider Patientinnen fiel jedoch auf, dass neben den zahlreichen frischen Frakturen auch ältere Frakturen vorlagen. Bei der ersten Patientin traten Schmerzen und eine Körperlängeneinbuße von 2,5 cm schon nach der ersten Schwangerschaft auf. Eine Diagnostik erfolgte damals nicht. Die Vermutung liegt nahe, dass auch schon während der ersten Schwangerschaft eine schwangerschaftsassoziierte Osteoporose vorlag. Bei der zweiten Patientin traten ohne adäquates Trauma 2015 eine LWK-2-Trümmerfraktur und eine Humerusfraktur auf, sodass vermutlich schon damals die Mastozytose zu einer manifesten sekundären Osteoporose geführt hatte. Bei beiden Krankheitsbildern ist eine medikamentöse Therapie sorgfältig auszuwählen. Eine Teriparatid-Therapie ist bei systemischer Mastozytose nicht die Therapie der ersten Wahl.

Korrespondenzadresse Katja Barbara Warnecke, Immanuel Khs Berlin, Innere Klinik/ Osteologie, Immanuel Khs Berlin, Königstr. 63, 14109 Berlin, Deutschland, E-Mail: katjakociok@yahoo.de



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Article published online:
08 September 2022

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