Suchttherapie 2022; 23(S 01): S14
DOI: 10.1055/s-0042-1755977
Abstracts
S09: Sexualisierter Substanzgebrauch, Onlinesex- und Computerspielsucht – behandlungsrelevante Ergebnisse aus zwei Spezialambulanzen

Persönlichkeitsstörungen und Bindungsverhalten bei Chemsex-Usern

M Gertzen
1   Universitätsmedizin Augsburg, Augsburg
,
M Strasburger
2   Ludwig-Maximilians-Universität München, München
,
C Rosenberger
3   KBO Isar-Amper-Klinikum Region München, Haar
,
J Schwarz
2   Ludwig-Maximilians-Universität München, München
,
S Karcher
2   Ludwig-Maximilians-Universität München, München
,
A Rabenstein
2   Ludwig-Maximilians-Universität München, München
,
T Rüther
2   Ludwig-Maximilians-Universität München, München
› Author Affiliations
 

Einleitung Bei Chemsex handelt es sich um die Kombination von Sexualität und den Konsum von psychotropen Substanzen (speziell Gammahydroxybutyrat, Gammabutyrolakton, Mephedron und Methamphetamin). Bestimmte Autoren zählen weitere Substanzen hinzu. Die häufigste Population, die von diesem Phänomen betroffen ist, sind Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Eine europäische Konsensusdefinition existiert bis heute nicht. Es bestehen ausgeprägte Risiken für die körperliche (v.a. sexuell übertragbare Infektionen) und seelische Gesundheit (Suchterkrankungen, Depression, Psychosen, suizidale Krisen). Ein validiert-manualisiertes, therapeutisches Vorgehen für dieses zunehmende Phänomen fehlt. Ziel der Arbeit war eine differenzierte Darstellung psychometrischer Eigenschaften von Chemsex-Usern, um Anforderungen für perspektivische Therapieoptionen zu erarbeiten.

Material und Methodik Im Rahmen einer explorativen Studie in der Region München wurden MSM, welche innerhalb der letzten 6 Monate Sexualität in Verbindung mit den typischen Chemsex-Substanzen oder mit Ketamin betrieben hatten, mit matchten Kontrollen psychometrisch mittels validierter deutschsprachiger Skalen untersucht in Bezug auf das Vorliegen von Depression (Beck-Depressions-Inventar, BDI), kindlichem Trauma (Childhood-Trauma-Questionnaire, CTQ), dem Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung (Strukturiertes klinisches Interview für DSM 5 – Persönlichkeitsstörungen, SCID-5-PD), Hypersexualität (Hypersexual-Behavior-Inventory, HBI) und dem Bindungsstil (Relationship-Scales-Questionnaire, RSQ).

Ergebnisse Es konnten 31 Probanden untersucht und mit gematchten Kontrollen verglichen werden. Hierbei ergaben sich Hinweise für das vermehrte Vorliegen von Depressivität, kindlichem Trauma im Sinne von emotionalem Missbrauch, verschiedenen Persönlichkeitsstörungen, Hypersexualität und einem unsicheren Bindungsstil bei Chemsex-Usern, im Vergleich zu Kontrollen.

Zusammenfassung Bei manifestem Chemsex-Konsum sollte differentialdiagnostisch das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung und weiteren psychischen Komorbiditäten erwogen werden. Als Limitation ist die kleine Stichprobengröße und somit deren fehlende Repräsentativität zu erwähnen. Psychische Komorbiditäten sollten bei differentialdiagnostischen Überlegungen und der therapeutischen Interventionsplanung von Chemsex-Usern dennoch berücksichtigt werden.



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Article published online:
30 August 2022

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