Suchttherapie 2022; 23(S 01): S51-S52
DOI: 10.1055/s-0042-1756088
Abstracts
S38: Online-Verhaltenssüchte bei Kindern und Jugendlichen: neue Befunde zur Diagnostik, Ätiologie und Lebensqualität der Familien

Interaktion von Gaming und Stress bei Jugendlichen mit Internet Gaming Disorder

J Klar
1   Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Universität Bern, Bern, Schweiz
,
J Josi
1   Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Universität Bern, Bern, Schweiz
,
S Lerch
1   Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Universität Bern, Bern, Schweiz
,
J Koenig
2   Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Universitätsklinikum Köln, Köln
,
J Kindler
1   Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Universität Bern, Bern, Schweiz
,
M Kaess
1   Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Universität Bern, Bern, Schweiz
› Institutsangaben
 

Einleitung Gaming als dysfunktionale Copingstrategie ist ein Kriterium der Forschungsdiagnose Internet Gaming Disorder (IGD, DSM-5). Viele Patienten mit IGD berichten mehr zu gamen wenn sie sich gestresst fühlen und Gaming als Ablenkung von negativen Emotionen einzusetzen. Ziel der hier beschriebenen Studie war es den zeitlichen Zusammenhang von Gaming und Stresserleben mittels Ecological Momentary Assessment (EMA) bei Jugendlichen mit IGD und gesunden Kontrollprobanden zu erheben.

Material und Methodik In einem Querschnittsdesign wurden 28 Probanden mit IGD (DSM-5) und 26 gesunde Kontrollprobanden (HC) untersucht. Es wurden männliche Probanden zwischen 15-25j. eingeschlossen. Mit allen Probanden wurde ein Telefoninterview (Ein- und Ausschlusskriterien) und ein klinisches Assessment (u.a. Beck-Depressions/Angst-Inventar, BDI-II, BAI; Trierer Inventar zum chronischen Stress, TICS) durchgeführt. Alle Probanden erhielten für eine Woche ein Studienhandy mit der EMA App (Movisense). Es wurden Gaming-Zeit, Stress, negative Emotionen (MMQ) und Craving mittels Zeitangabe oder visueller Analogskala (0-100) erhoben. An Wochentagen (Mo-Fr) jeweils morgens und abends (2x täglich) und am Wochenende (Sa-So) stündlich (16x täglich).

Ergebnisse In den Fragebogen zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen mit höheren Werten in der IGD Gruppe im BDI-II (p=.003), im BAI (p=.02) und im TICS (p=.02). Bei den Jugendlichen mit IGD zeigte sich in den EMA Auswertungen eine signifikante Stressreduktion durch Gaming (p=0.001) und eine leicht erhöhte Gamingzeit durch Stresserleben (p=.001). Dieser Effekt zeigte sich jedoch nur bei den stündlichen Befragungen am Wochenende und nicht bei Wochentagen (Mo-Fr, p=.276). Zwischen den Gruppen zeigte sich im EMA ein signifikanter Unterschied der Gaming Zeit (p<.001) und Craving (p<.001), jedoch keine Unterschiede im Erleben von Stress (p=.48) und negative Emotionen (p=.68).

Zusammenfassung Diese Studie gibt einen weiteren Hinweis darauf, dass Gaming bei Jugendlichen mit IGD kurzfristig zu einer Reduktion von Stress führen kann. Langfristig scheint dieses Verhalten jedoch dysfunktional zu sein und kann wiederum zu mehr Stress und negativen Emotionen führen.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
30. August 2022

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