Geburtshilfe Frauenheilkd 2022; 82(10): e46
DOI: 10.1055/s-0042-1756749
Abstracts | DGGG

Kristellerhilfe im Kreißsaal: eine prospektive Datenanalyse

T Baller
1   Klinik Hallerwiese, Gynäkologie und Geburtshilfe, Nürnberg, Deutschland
,
F Kainer
2   Klinik Hallerwiese, Chefarzt Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Nürnberg, Deutschland
,
A Dennhöfer
1   Klinik Hallerwiese, Gynäkologie und Geburtshilfe, Nürnberg, Deutschland
,
P Kellermann
1   Klinik Hallerwiese, Gynäkologie und Geburtshilfe, Nürnberg, Deutschland
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Einleitung Der Einsatz der Kristellerhilfe wird sehr kontrovers diskutiert. Da die Methode als obsolet und schädlich angesehen wurde, gibt es kaum Daten zur Evidenz und wenig Evidenz auf hohem Niveau über die medizinische Bedeutung des Eingriffes. In der im Dezember 2020 vorgestellten S3-Leitlinie zur vaginalen Geburt, wird die Kristellerhilfe bei strenger Indikationsstellung als vertretbar angesehen.

Zielsetzung Darstellung der Datenlage zur Kristellerhilfe anhand einer prospektiven Erhebung.

Methodik Vom 26.02.2019 bis 11.04.2022 wurden in der Klinik Hallerwiese alle Geburten (n=11455) hinsichtlich Kristellerhilfe prospektiv dokumentiert.

Ergebnisse Bei 992 Geburten (8,66%) wurde eine Kristellerhilfe durchgeführt, 660 (66,53%) Spontangeburten, 311 (31,35%) Vakuumextraktionen und 2 (0,20%) Entbindungen durch Forzeps. Indikation war bei 493 (49,70%) Entbindenden ein pathologisches CTG, bei 277 (27,92%) eine prolongierte aktive Austreibungsphase und bei 245 (24,70%) mütterliche Erschöpfung.

Bei 876 (88,31%) Geburten kam es zu Geburtsverletzungen. 68 (6,85%) hatten höhergradige Dammverletzungen (DR III/DRIV). In 257 (26,81%) Fällen erfolgte eine Episiotomie. Scheidenrisse traten in 425 (42,84%) und hohe Scheidenrisse in 55 (5,54%) Fällen auf.

Im Vergleich dazu kam es bei vaginalen Geburten (6382) ohne Kristellerhilfe zu 2993 (46,90%) Geburtsverletzungen. Davon erlitten 101 (1,58%) höhergradige Dammverletzungen, bei 403 (6,32%) wurde eine Episiotomie durchgeführt, es traten 1521 (23,84%) Scheidenrisse und 101 (1,58%) hohe Scheidenrisse auf.

Zusammenfassung Die Indikationsstellung kann aufgrund der vorhandenen Evidenz nicht zuverlässig beurteilt werden. Auf Basis retrospektiver Daten kommt es bei dem Eingriff zu einer deutlichen Zunahme von Geburtsverletzungen. Es sind jedoch prospektiv vergleichbare Kollektive zu untersuchen, um die Methode, die in der aktuellen S3-Leitlinie aufgeführt wird, endgültig evidenzbasiert beurteilen zu können.



Publication History

Article published online:
11 October 2022

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