Interkulturelle Wahrnehmung von Coronavirus-bedingten Einschränkungen in der Geburtshilfe

Einführung Soziale Distanzierung ist als effektives Mittel zur Eindämmung der Coronaviruspandemie akzeptiert. In nahezu allen geburtshilflichen Abteilungen wurden in den letzten zwei Jahren Kontaktbeschränkungen prä-, intra- und / oder postpartal durchgeführt. Diese können neben der offensichtlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität auch zu stärkeren Reaktionen wie Angst, Anspannung, depressiven Symptomen führen. In der vorliegenden Studie sollte untersucht werden, inwieweit es interkulturelle Unterschiede in der Perzeption der verschiedenen Einschränkungen gibt.

Material und Methoden In einer prospektiven Studie wurden Patientinnen mit arabischem Migrationshintergrund und ohne jeden Migrationshintergrund eingeschlossen, die zwischen April – Juli 2021 im Kreißsaal der Universitätsfrauenklinik Minden entbunden hatten. Im Studienzeitraum war stets eine Begleitperson während der Geburt erlaubt, auf der Wochenbettstation allerdings keine Familienzimmer, Besuch 2 h täglich durch eine Person. Mittels eines multiparametrischen Fragebogens wurde über visuelle Analogskalen (VAS) erhoben, inwieweit die Kontaktbeschränkungen prä, peri- und postpartal die Lebensqualität der Patientinnen beeinträchtigte.

Ergebnisse 182 Patientinnen gaben einen Fragebogen ab (Rücklaufquote 94%, davon 26 arabische, 156 deutsche Patientinnen). 31% der deutschen vs. 0% der arabischen Patientinnen hatten einen Geburtsvorbereitungskurs wahrgenommen (p<0,001). Arabische Patientinnen hatten signifikant mehr Ängste vor einer Infektion des Kindes mit Corona (VAS-Score 5,1 vs. 2,9, p=0,033) und fühlten sich einsamer auf der Wochenbettstation (VAS-Score 7,8 vs. 6,1; p<0,001), fühlten sich aber weniger durch Änderungen der Infektionsschutzregelungen im Kreißsaal belastet (VAS-Score 4,3 vs. 6,5; p<0,001).

Schlussfolgerung Es gibt interkulturelle Unterschiede in der Perzeption des Social Distancings, weswegen solche Konzepte daher kulturelle Einflüsse berücksichtigen sollten.

Publication History

Article published online:
11 October 2022