Laryngorhinootologie 2017; 96(05): 312-313
DOI: 10.1055/s-0043-105795
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Einseitige supraklavikuläre Schwellung in der Schwangerschaft

Unilateral Supraclavicular Swelling during Pregnancy
Janina Hahn
1   HNO, Universitätsklinikum Ulm, Ulm
,
Ulrike Friebe-Hoffmann
2   Gynäkologie und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Ulm, Ulm
,
Ferdinand Bischof
1   HNO, Universitätsklinikum Ulm, Ulm
› Author Affiliations
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Publication History

eingereicht 29 September 2016

akzeptiert 10 March 2017

Publication Date:
24 April 2017 (online)

Fallbericht

Eine schwangere Patientin wurde aufgrund einer unklaren Raumforderung am Hals zur Abklärung in der HNO-Ambulanz vorgestellt. Die 20-Jährige befand sich in der 27. Schwangerschaftswoche (26+2) und berichtete von einer 7 Tage zuvor aufgetretenen supraklavikulären Schwellung linksseitig. Initial sei eine Spannung im Bereich der linken Schulterregion aufgefallen. Die Patientin beschrieb gelegentliche Kribbelparästhesien im linken Arm, welche bis zu den Fingern zogen. Durch den behandelnden Hausarzt waren sonografisch zervikale und axilläre Lymphknoten linksseitig diagnostiziert worden. Es wurde von keinem Auslöser bspw. in Form einer Verletzung oder eines Insektenstichs berichtet. Zudem bestanden keine Halsschmerzen. Die Tonsillen waren in der Kindheit entfernt worden. Eine orale Penicillingabe erfolgte seit 5 Tagen, jedoch ohne eine Besserung der Symptomatik. Anamnestisch gab es abgesehen von einer Unverträglichkeit nicht steroidaler Antiphlogistika keine Nebendiagnosen, es lag kein Noxenkonsum vor. Die Patientin war normalgewichtig (BMI: 24,5 kg/m2) und der Schwangerschaftsverlauf bislang unauffällig. Es bestand insgesamt ein guter Allgemeinzustand.

Der HNO-ärztliche Spiegelbefund war ohne pathologischen Befund. Die bei der Palpation leicht schmerzhafte, weiche Schwellung der Supraklavikularregion links war nicht überwärmt oder gerötet, die Haut zeigte sich intakt. Halsgefäße zeichneten sich von außen nicht ab. Eine Abduktion des linken Armes war unter Schmerzen lediglich bis 90° möglich. Im abgenommenen erweiterten Routine-Labor zeigten sich leichtgradig erhöhte Entzündungsparameter: CRP 34,5 mg/l (Norm: <5,0 mg/l), Leukozyten 11,3 Giga/l (Norm: 4,4–11,3 Giga/l) sowie eine erhöhte Laktatdehydrogenase (LDH): 409 U/l (Norm: <250 U/l). Alle weiteren Laborparameter lagen im Normbereich.

Differenzialdiagnostisch kam zunächst eine reaktive Lymphadenitis colli aufgrund einer unklaren Primärinfektion – bspw. im HNO-Bereich - in Betracht sowie eine zervikale Abszessformation. Bezüglich des Abduktionsdefizits kamen differenzialdiagnostisch auch muskuläre oder nervale Einschränkungen in Frage. Aufgrund der passageren Parästhesien des linken Armes wurde die Patientin neurologisch vorgestellt. Hier konnte ein fokal neurologisches Defizit ausgeschlossen werden. Es fanden sich keine Paresen des Armes, kein sensorisches Defizit, der Reflexstatus war regelrecht.

In der zervikalen Ultraschalluntersuchung zeigten sich morphologisch unspezifische, echoarme, nicht vergrößerte Lymphknoten links ohne Anhalt für Einschmelzung. Das die Lymphknoten umgebende Gewebe im Bereich der sichtbaren Schwellung war nicht perfundiert, mit homogenem Binnenmuster und zum umliegenden Gewebe nicht als umschriebene Raumforderung abgrenzbar. Im Gefäßdoppler aller Level zeigte sich im kaudalen Anteil (Level III und IV links) eine thrombosierte Vena jugularis interna mit nur geringer Restperfusion. Die Längenausdehnung des Thrombus ließ sich aufgrund der Schallauslöschung durch die Clavicula sonografisch nicht erfassen.

Zur weiteren Diagnostik erfolgte eine MRT der Halsweichteile sowie des oberen Thorax, von einer Untersuchung mittels CT wurde aufgrund der Strahlenbelastung in der Schwangerschaft abgesehen. Die MRT-Bilder zeigten eine 10×9×11cm messende, von der Umgebung klar abgrenzbare malignomsuspekte Raumforderung im vorderen, oberen Mediastinum mit basal zystischen Anteilen und Kompression des Konfluens der Vena subclavia und Vena jugularis interna links, welche sich bis an die Höhe der Carotisbifurcation thrombosiert zeigte ([Abb. 1] [2]). In Rücksprache mit den begleitenden Gynäkologen wurde aufgrund der Vena jugularis interna Thrombose eine therapeutische Antikoagulation mittels niedermolekularem Heparin eingeleitet. Niedermolekulare Heparine passieren die Plazentaschranke nicht und werden für die Prävention und Behandlung von venösen thromboembolischen Geschehen während der Schwangerschaft empfohlen (Boehlen F. et al. 2013 Schweiz Med Forum;13 (38): 741–743).

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Abb. 1 MRT des Thorax in der axialen Darstellung: die Raumforderung liegt der Thoraxwand bzw. dem Sternum langstreckig an.
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Abb. 2 MRT des Thorax in der Frontaldarstellung: eine 10×9×11 cm messende malignomsuspekte Raumforderung im vorderen, oberen Mediastinum.

Radiologisch wurde der Verdacht auf ein mediastinales Lymphom oder Thymuskarzinom gestellt. Die Patientin wurde durch die Kollegen der Hämatoonkologie stationär übernommen, woraufhin dort am Folgetag eine ultraschallgesteuerte Biopsie des Befundes erfolgte. Die histopathologische Analyse mit immunhistologischer Aufarbeitung ergab eine Woche später die Diagnose eines primären mediastinalen B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphoms.

Der Kasus wurde in der interdisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt, wo bei bestehender Schwangerschaft eine Chemotherapie nach dem R-CHOP-Schema empfohlen wurde. CHOP ist die Abkürzung für ein Chemotherapie-Schema mit Cyclophosphamid, Hydroxydaunorubicin, Vincristin (Oncovin), Prednisolon in Kombination mit dem monoklonalen Antikörper Rituximab.

Unter der Therapie war der weitere Schwangerschaftsverlauf komplikationslos, die Patientin brachte 2 Monate später mittels Spontangeburt einen gesunden Jungen zur Welt. Die Chemotherapie insgesamt wurde gut vertragen und konnte nach 6 Zyklen und einem Zeitraum von 4 Monaten abgeschlossen werden. 2 Monate nach Beendigung der Chemotherapie erfolgte eine PET-CT, in welcher sich noch einige deutlich akzentuierte, intensiv stoffwechselaktive Lymphknoten im Sinne von aktivem Lymphomrestgewebe zeigten. In einer erneuten Tumorkonferenz wurde die Empfehlung zur lokalen mediastinalen Nachbestrahlung ausgesprochen, welche aktuell durchgeführt wird.