Gesundheitswesen 2019; 81(02): 92-98
DOI: 10.1055/s-0043-109429
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Belastungen im Berufsalltag von Palliativpflegekräften – eine Befragung in Kooperation mit dem KompetenzZentrum Palliative Care Baden-Württemberg (KOMPACT)

Quality of life and Potential Incriminating Factors Among Palliative Care Givers: A German Survey of the KOMPACT Working Group
Deniz Gencer
1   III. Medizinische Klinik für Hämatologie und Onkologie, Universitätsmedizin Mannheim, Mannheim
,
Cornelia Meffert
2   Klinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
,
Peter Herschbach
3   Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universitat Munchen, Munchen
,
Matthias Hipp
4   Klinik für Strahlentherapie, Gesundheitszentrum St. Marien Amberg, Amberg
,
Gerhild Becker
2   Klinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
14. Juni 2017 (online)

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Zusammenfassung

Ziel der Studie Durch den demographischen Wandel wird der Bedarf an spezialisierten Palliativeinrichtungen in Deutschland weiter zunehmen, was bei immer knapperen Ressourcen und steigenden Patientenzahlen möglicherweise zur Überlastung der Pflegekräfte führen kann. Ziel unserer Studie war die Identifikation von Risiken für Überlastungen im Berufsalltag von stationären und ambulanten Palliativpflegekräften.

Methodik Als Projekt des Kompetenzzentrums Palliative Care Baden-Württemberg wurde eine anonyme Befragung der Pflegekräfte aller Palliativstationen und der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) innerhalb Baden-Württembergs durchgeführt. Der genutzte Erhebungsbogen erfragte spezifische Belastungen bei der beruflichen Tätigkeit, eine Selbsteinschätzung des eigenen Gesundheitszustandes sowie wichtige Aspekte bezüglich des psychischen Befindens. Insgesamt nahmen 167 Pflegekräfte aus 34 verschiedenen Einrichtungen an der Befragung teil.

Ergebnisse Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen stationär und ambulant tätigen Palliativpflegekräften bezüglich der Art und Intensität der Belastung. Der ermittelte Gesamtbelastungswert war für Pflegekräfte auf Palliativstationen signifikant schlechter im Vergleich zum ambulanten Setting (p<0,001). Eine hohe Wochenarbeitszeit sowie fehlende Berufserfahrung im Bereich Palliative Care führten zu einer schlechteren Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben. Höhere Belastungswerte führten zu einer geringeren Zufriedenheit mit der beruflichen Situation. Je unzufriedener die Pflegenden mit ihrer beruflichen Situation waren, desto weniger gut schätzten sie ihren eigenen Gesundheitszustand ein. Das psychische Befinden der Palliativpflegekräfte war signifikant schlechter im Vergleich mit der Normstichprobe, zahlreiche Pflegekräfte waren „auffällig“ oder sogar „gravierend“ belastet. Durch die Befragung wurde außerdem deutlich, dass die geforderten strukturellen Bedingungen auf den Palliativstationen nur knapp erfüllt werden.

Schlussfolgerung Die Ergebnisse deuten auf schlechtere Arbeitsbedingungen und in der Folge auf eine drohende Überlastung der Pflegekräfte in stationären Palliativeinrichtungen hin. Maßnahmen und Weiterbildungen zur Stressbewältigung und dem Umgang mit berufsbedingten Belastungen scheinen damit bislang nicht ausreichend in den Berufsalltag der Pflegenden implementiert zu sein. In Bezug auf die nicht optimalen strukturellen Bedingungen für Pflegende auf Palliativstationen sollten die seitens der Fachgesellschaften geforderten Standards hinterfragt und re-evaluiert werden.

Abstract

Aim of the study Due to the aging population in Germany, the need for palliative care institutions will increase. Considering the lack of resources, work stress of palliative care nurses could increase significantly. It was the aim of this study to identify risk factors for job overload and work stress of palliative care nurses in the inpatient and outpatient setting.

Methods In cooperation with the KOMPACT Working Group, we conducted an anonymous survey of palliative care givers in Baden-Württemberg, Germany. We used a paper questionnaire to inquire about job stress and workload, self-assessment of health condition and aspects about mental and emotional well-being. 167 palliative care nurses from 34 different institutions participated in the survey.

Results The results showed a significant difference between inpatient and outpatient palliative care workers regarding the type and intensity of work stress. The overall stress level was significantly higher for the nurses in inpatient palliative care units (p<0.001). A high weekly working time combined with missing work experience in the field of palliative care led to a poorer compatibility of job and family. Higher stress levels resulted in a lower satisfaction with the work. Dissatisfaction with the working conditions was associated with a worse health status defined by self-assessment. Mental and emotional condition of palliative care nurses was significantly worse in comparison with the norm sample, many nurses showed “strikingly” or even “seriously” high values. The survey also showed that the structural conditions in inpatient palliative care units were not optimal.

Conclusion Compared to outpatient palliative care services, working conditions seem to be worse in inpatient palliative care setting, which could result in higher stress for the nurses. Interventions to reduce work-related stress appear not to be well implemented in the daily work of palliative care nurses. Standards for care as well as advanced training programs for palliative care nurses should be reevaluated.