Aktuelle Urol 2017; 48(04): 263-264
DOI: 10.1055/s-0043-110070
Editorial
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„Bewegende Zeiten“ für das Urothelkarzinom

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Publication Date:
27 July 2017 (online)

Über viele Jahre hat das Urothelkarzinom im Vergleich zu anderen häufigen Tumoren bei der Entwicklung neuer Diagnostikmethoden und Therapien ein „Mauerblümchendasein“ geführt. Dies hat sich nun grundlegend geändert. Durch die Einführung innovativer diagnostischer Verfahren, die Erarbeitung eines neuen molekularpathologischen Klassifizierungssystems und die Einführung neuer systemischer Target- und Immuntherapien konnten eine Vielzahl interessanter Erkenntnisse gewonnen werden.

Diese möchten wir im vorliegenden Themenheft in einer Reihe spannender Beiträge eines interdisziplinären Teams von Autoren darstellen.

Die initiale transurethrale Diagnostik und Therapie des Urothelkarzinoms ist technologischen Innovationen gut zugänglich. Herr Dr. Struck und Mitarbeiter geben einen Überblick über die zunehmend durchgeführte Technik der En bloc-Resektion von Harnblasenkarzinomen, bei der im Gegensatz zur konventionellen Resektionstechnik die ursprünglichen Prinzipien der onkologischen Chirurgie (no touch, en bloc und early clamping) eingehalten werden können. Der Artikel von Herrn Dr. Kriegmair und Kollegen zeigt neue Entwicklungen bei der endoskopischen Bildgebung auf und gibt einen Überblick über die Rolle bereits existierender und zukünftig zu evaluierender endoskopischer Techniken.

Die intrakavitäre Therapie mit BCG hat einen festen Stellenwert bei der Erhaltungstherapie von High risk-Tumoren, die nicht muskelinvasiv sind. Kommt es jedoch zum Versagen dieser Behandlung, so sind weitere potenziell organerhaltende Therapieoptionen sehr limitiert und haben häufig einen klinisch-experimentellen Charakter. Die verfügbaren Möglichkeiten alternativer Erhaltungstherapien stellt Herr Dr. Martini und seine Gruppe vor.

Bei fortgeschritteneren Tumorstadien ist eine Systemtherapie notwendig. Diese kann zunehmend im Rahmen eines multimodalen Konzeptes in Kombination mit einer operativen Therapie durchgeführt werden, stellt jedoch bei metastasierten Tumoren die alleinige palliative Therapie dar. Herr PD Dr. Niegisch fasst die aktuell verfügbaren Möglichkeiten bei der systemischen Therapie des Urothelkarzinoms zusammen.

Die verbesserte molekulare Entschlüsselung und Charakterisierung des Urothelkarzinoms hat zu einem neuen Verständnis der Tumorbiologie geführt. Es konnten ein molekulares Klassifikationssystem und neue therapeutische Zielstrukturen identifiziert werden. Die wichtigste Rolle spielt dabei, wie aktuell bei vielen weiteren Tumorentitäten, die Immunonkologie. Nach etwa drei Jahrzehnten „Innovationsstillstand“ werden neue Substanzen für die Systemtherapie aktuell in Europa zugelassen. Die Beiträge von Frau Professor Retz und Frau Dr. Erlmeier stellen die neuen immunonkologischen Therapieoptionen vor und machen gleichsam mit den Bemühungen der Pathologen zur Erarbeitung prädiktiver Marker für diese neuen Therapien vertraut.

Da ein Ansprechen auf die Immuntherapie leider nicht für alle Patienten zu erwarten ist, muss die Suche nach alternativen Target-Therapien weitergehen. Herr PD Dr. Erben und seine Arbeitsgruppe befassten sich mit dem bekannten HER2-Rezeptor, dessen Expression auf mRNA-Ebene einen hohen Prognosewert zeigte und eine weitere potenzielle Zielstruktur für eine Systemtherapie darstellt.

Ergänzt werden die Beiträge durch einen spannenden Fallbericht von Herrn Dr. Eckstein, der die Heterogenität und Komplexität des Urothelkarzinoms nochmals unterstreicht.

Viel Spaß bei der Lektüre und herzliche Grüße,

Christian Bolenz und Arndt Hartmann

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Christian Bolenz
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Arndt Hartmann