Gesundheitswesen 2018; 80(11): 939-945
DOI: 10.1055/s-0043-121010
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hürden bei der Digitalisierung der Medizin in Deutschland – eine Expertenbefragung

Barriers to Digitalisation of Healthcare in Germany: A Survey of Experts
Pascal Nohl-Deryk
1   Medizinische Fakultät, Ruhr-Universitat Bochum, Bochum
,
Jesaja Kenneth Brinkmann
2   Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Universität Hamburg, Hamburg
,
Ferdinand Michael Gerlach
3   Goethe-University Frankfurt, Institute of General Practice, Frankfurt
,
Jonas Schreyögg
4   Lehrstuhl für Management im Gesundheitswesen, Universität Hamburg, Fachbereich Betriebswirtschaftslehre, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Hamburg
,
Dmitrij Achelrod
4   Lehrstuhl für Management im Gesundheitswesen, Universität Hamburg, Fachbereich Betriebswirtschaftslehre, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Hamburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
04. Januar 2018 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund Digitale Medizin ist ein im Aufschwung befindlicher Bereich des Gesundheitswesens und birgt große Potenziale. Dennoch ist der Digitalisierungsgrad des deutschen Gesundheitswesens sowohl im internationalen Vergleich als auch im innerdeutschen Branchenvergleich gering. Trotz politischer Bemühungen scheinen bestimmte Hürden den Digitalisierungsprozess stark zu hemmen.

Methode Insgesamt 18 repräsentative Experten aus verschiedenen Bereichen wurden mit semi-strukturierten Interviews zu Hürden und Lösungsansätzen der Digitalisierung des Gesundheitswesens befragt. Die Auswertung erfolgte mittels Thematic Analysis nach Braun und Clarke.

Ergebnisse Die Interviewpartner identifizierten akteursspezifische und -übergreifende Hürden. Bei Selbstverwaltung und Ärzteschaft fehle teilweise der Wille und eine potente Organisationsstruktur, um die Digitalisierung voranzutreiben. Auf akteursübergreifender Ebene wird hervorgehoben, dass ein fehlender Nutzennachweis und Interoperabilität ein primäres Hemmnis darstellen, die aktuelle Gesetzgebung und Finanzierung hingegen kaum. Lösungsansätze werden insbesondere in einer Stärkung der Patientenrolle und in gesetzlichen Regelungen gesehen. Insbesondere Infrastrukturausbau und Interoperabilität würden ein koordiniertes, staatliches Eingreifen erfordern. Eine positive Kommunikation über Möglichkeiten und Nutzen digitaler Lösungen sei zusätzlich wichtig.

Schlussfolgerung Ein fester politischer Wille, eine übergreifende Strategie, begleitet durch ein Kommunikationskonzept scheinen notwendig zu sein. Gesetzgeberisch können verbindliche Vorgaben, Fristen und Sanktionen für die Selbstverwaltung hilfreich sein, gleichzeitig sollten Anwender früh mit in die Entwicklung eingezogen werden und positive Anreize zur Nutzung digitaler Lösungen geschaffen werden.

Abstract

Background Digital health is a growing area in healthcare with a huge potential. Nevertheless, the degree of digitalization in German healthcare is low when compared internationally and with other German industries. Despite political efforts, certain barriers seem to strongly impede the process of digitalization process in healthcare.

Method We surveyed 18 representative healthcare experts from various sectors with semi-structured interviews on barriers and solutions for digital health. Thematic analysis by Braun and Clarke was used for interpretation.

Results The interviewees identified barriers that were stakeholder-specific and across stakeholders. Self-regulatory bodies and the medical profession were found to lack willingness and organizational structure for digitalization. Lack of evidence and missing interoperability represented primary obstacles, while current legislation and financial regulations were rarely mentioned. In particular, infrastructure expansion and interoperability would require a coordinated, state intervention. Positive communication on possibilities and benefits of digital solutions was also considered important.

Conclusion A strong political will, an overarching strategy accompanied by a communication concept seems to be necessary in order for digital health to succeed. Regarding legislation, binding specifications, deadlines and sanctions may be needed for self-regulatory bodies, while also involving users in the development process at an early stage and creating positive incentives for using digital solutions.