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DOI: 10.1055/s-0043-121633
Die ärztliche Kommunikation als Auslöser von Schlichtungsverfahren
Arbitration proceedings caused by communication problemsPublication History
06/08/2017
10/08/2017
Publication Date:
29 December 2017 (online)
Zusammenfassung
Einleitung Die Grundlage einer vertrauensvollen Arzt-Patient-Beziehung wird unter anderem durch eine funktionierende Kommunikation gebildet. Gute ärztliche Kommunikation ist in Zeiten von zunehmender Personal- und Zeitknappheit wichtiger denn je. Ziel dieser Arbeit war zu prüfen, inwieweit ärztliche Kommunikation Einfluss auf die Auslösung von Schlichtungsverfahren hat.
Material und Methoden Analysiert wurden alle plastisch-chirurgischen Schlichtungsfälle, die die Norddeutschen Schlichtungsfälle für Arzthaftpflichtfragen zwischen 2005 und 2015 abschließend bearbeitet hat. Nach Ausschluss der Fälle mit unvollständiger Datenlage wurden 280 Fälle ausgewertet. Die vorliegenden Unterlagen wurden auf Kommunikationsfehler und andere mögliche Auslöser des Verfahrens geprüft. Lagen Kommunikationsfehler vor, wurden diese näher ausgewertet. Ferner wurde geprüft ob z. B. nachbehandelnde Ärzte Patienten Behandlungsfehler suggerierten.
Ergebnisse 53,6 % aller Fälle ergaben Kommunikationsfehler in der Primärbehandlung. Kritischer Zeitraum ist die ambulante Nachbehandlung (48,7 %), Hauptverursacher ist der behandelnde Arzt (93,7 %). In 30,9 % dieser Fälle fühlten sich die Patienten nicht ernst genommen. Weitere Aspekte sind Nichtverfügbarkeit des behandelnden Arztes (12,2 %), Beleidigungen oder respektloser Umgang (8,5 %), inadäquate Informationsbereitstellung (8,5 %) und fehlende Sicherungsaufklärung (8,1 %). In 43,9 % der Fälle wurde Patienten ein Behandlungsfehler suggeriert. Vorrangiger Verursacher ist hier der nachbehandelnde Arzt (70,3 %).
Diskussion Es zeigt sich, dass eine fehlerhafte ärztliche Kommunikation erheblichen Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit der Patienten hat. Aussagen, die dem behandelnden Arzt ggf. normal erscheinen, können bei Patienten erhebliche emotionale Reaktionen hervorrufen. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass nicht nur „echte“ Behandlungsfehler und Schäden, sondern auch Kommunikationsprobleme Schlichtungsverfahren auslösen. Gute Kommunikation und einfühlsamer Umgang helfen Unzufriedenheit zu mindern und senken das Risiko für mögliche juristische Auseinandersetzungen.
Abstract
Introduction Functioning communication is one of the basic elements of a trusting doctor-patient relationship. Good medical communication is more important than ever in times of increasing personnel and time constraints. The aim of this study was to examine to what extent medical communication has an influence on the initiation of arbitration procedures.
Material and Methods The analysis was based on arbitration cases of plastic surgery, which were processed and completed by the Arbitration Board for Medical Liability Issues of North Germany between 2005 and 2015. After eliminating cases with incomplete data, 280 cases were evaluated. The documents were examined for possible communication errors and other triggers of the proceedings. If communication errors were present, these were analysed more closely. Furthermore, it was verified if treatment errors were suggested to patients, e. g. by physicians in charge of aftercare.
Results 53.6 % of all cases emerged from communication errors in primary care, mainly caused by the attending surgeon (93.7 %). The outpatient follow-up treatment was identified as the most critical period (48.7 %). The most common problem was that patients felt they were not taken seriously (30.9 %). Further aspects were non-availability of the treating doctor (12.2 %), insults or disrespect (8.5 %), inadequate provision of information (8.5 %), and a lack of therapeutic enlightenment (8.1 %). In 43.9 % of the cases, treatment errors were suggested to patients, primarily by the after-treatment physician (70.3 %).
Discussion The results show that inadequate medical communication has a considerable influence on the overall satisfaction of patients. Statements that appear normal to the surgeon may cause significant emotional reactions in patients. This study shows that arbitration procedures are not only triggered by “real” treatment errors and damage, but also by communication problems. Good communication and empathy help to reduce dissatisfaction and the risk of possible legal disputes.
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