Klin Padiatr 2018; 230(02): 81-87
DOI: 10.1055/s-0043-121990
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zugang zu Frühen Hilfen in der Kinderklinik: Belastungsscreening als klinische Routine – differenzierte Exploration und Vermittlung durch das Fachteam

Access to Early Childhood Interventions in Children̛s Hospital: Screening as Clinical Routine Procedure – Exploration and Transfer by a Specialized Team
Florian Belzer
1   Department of Pediatrics and Adolescent Medicine, University Medical Center, Medical Faculty, University of Freiburg, Freiburg
,
Tanja Gölz
1   Department of Pediatrics and Adolescent Medicine, University Medical Center, Medical Faculty, University of Freiburg, Freiburg
,
Isolde Krug
1   Department of Pediatrics and Adolescent Medicine, University Medical Center, Medical Faculty, University of Freiburg, Freiburg
,
Michael Barth
1   Department of Pediatrics and Adolescent Medicine, University Medical Center, Medical Faculty, University of Freiburg, Freiburg
,
Karsten Häffner
1   Department of Pediatrics and Adolescent Medicine, University Medical Center, Medical Faculty, University of Freiburg, Freiburg
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
19 December 2017 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund Frühe Hilfen sollen Eltern mit kleinen Kindern früh in der Kindheit i.S. einer besonders vulnerablen Lebensphase sowie frühzeitig im Verlauf einer potenziell ungünstigen Entwicklung unterstützen, um negative Folgen mangelnder Fürsorge für die Kinder zu verhindern. Die Kinderklinik stellt hierbei einen Zugangsweg dar, der bislang wenig systematisch genutzt wird.

Methode In der vorliegenden Machbarkeitsstudie wurde an einem universitären Zentrum ein standardisiertes Risikoinventar im Routinebetrieb von Ärzten und Pflegekräften eingesetzt, um Belastungsfaktoren zu erfassen.

Ergebnisse Die Ergebnisse zeigen, dass ein routinemäßiges Risikoscreening im pädiatrischen Kontext praktikabel ist und dass ein substanzieller Anteil belasteter Familien, insbesondere mit Kindern unter einem Jahr erfasst wird. Hierbei waren primär psychosoziale Belastungen von Familien ausschlaggebend. Die Vermittlungsraten in Frühe Hilfen (8,5%) und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe (11,3%) entsprechen den Literaturangaben.

Diskussion und Schlussfolgerung Das Belastungsscreening erfüllt im verdichteten Stationsalltag eine „Rufknopf-Funktion“ und ist Basis einer differenzierten weiteren Exploration der Familien durch ein qualifiziertes, interdisziplinäres Fachteam, welches die Familien ggf. auch in die passenden Hilfsangebote vermittelt. Der Zugangsweg Kinderklinik kann so niederschwellig den Zugang zu Hilfen aus dem Bereich des SGB VIII erleichtern.

Abstract

Background In order to prevent risks associated with insufficient family care, it is mandatory to provide early childhood interventions for parents unable to cope with their young children in best time. Children̛s hospitals represent one pillar that hasn´t been fully explored yet.

Methods As a proof-of-concept, we performed a study to determine the feasibility of a standardized risk assessment tool during routine work of doctors and nurses in a university department.

Results Our data indicate that a standardized screen to assess stress is powerful in identifying stressed parents, especially those with children under the age of one year. In this context, psychosocial stress in families with newborns was most frequently indicated. The placement rates into early childhood interventions (8.5%) and youth welfare services (11.3%) correspond to the literature.

Discussion and Conclusion The standardized risk assessment tool can be used as a “call button” and delivers a basis for further differentiated exploration of the families by a specialized team and might be used to deliver services for these families. In summary children’s hospitals might be useful to provide a low-threshold access into early childhood interventions.

 
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