Zeitschrift für Phytotherapie 2023; 44(S 01): S6
DOI: 10.1055/s-0043-1769518
Abstracts

Cannabisbasierte Arzneimittel bei chronischen Schmerzen – das Bermudadreieck von Studien niedriger Qualität, unzähliger systematischer Übersichtsarbeiten und widersprüchlichen Leitlinienempfehlungen

W Häuser
1   Klinikum Saarbrücken, Saarbrücken, Deutschland
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Bei cannabisbasierten Arzneimitteln (CbMs) sind Fertig- und Rezepturarzneimittel zu unterscheiden. Weiterhin ist relevant, ob die CbMs Tetrahydrocannabinol (THC)- oder Cannabidiol (CBD)-dominant sind oder ein ausgewogenes Verhältnis von THC und CBD enthalten. CbMs werden in Deutschland überwiegend in der Behandlung chronischer nicht-tumorbedingter Schmerzen, in der Palliativmedizin und Neurologie (Spastik) eingesetzt. Ihre Wirksamkeit und Sicherheit wird in systematischen Übersichtsarbeiten von kontrollierten Studien und von Kohortenstudien sowie von Fachgesellschaften in Leitlinienempfehlungen unterschiedlich beurteilt. Die unterschiedlichen Wertungen in den systematischen Übersichtsarbeiten sind durch die Selektionskriterien der Studien (Art der CbMs, Dauer der Studien) bedingt – wie an Hand der systematischen Übersichtsarbeiten bei neuropathischen Schmerzsyndromen dargelegt werden wird. Die stabilste Evidenz für eine Wirksamkeit von CbMs (THC dominant bzw. ausgewogenes Verhältnis THC und CBD) liegt bei neuropathischen Schmerzen vor. Die stabilste Evidenz für eine fehlende Wirksamkeit liegt bei Tumorschmerzen vor (THC dominant bzw. ausgewogenes Verhältnis THC und CBD). Es liegt je eine negative randomisierte kontrollierte Studie mit ausreichend hoher Fallzahl mit reinem CBD bei Arthrose- bzw. neuropathischem Schmerz vor. Die Datenlage zu anderen Indikationen (z. B. andere palliativmedizinische Indikationen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, rheumatoide Arthritis, Fibromyalgiesyndrom) ist quantitativ und qualitativ unzureichend, um eine (fehlende) Wirksamkeit zu belegen [1] [2] [3] [4] [5].

Der (alleinige) Stellenwert randomisierter kontrollierter Studien zur Beurteilung der Wirksamkeit von medizinischen Maßnahmen in der klinischen Routineversorgung wird zunehmend in Frage gestellt und die Ergänzung durch Kohorten- und Registerstudien gefordert. Diese belegen eine Wirksamkeit von CbMs (THC dominant bzw. ausgewogenes Verhältnis THC und CBD) bei verschiedenen nichttumorbedingten Schmerzsyndromen, bei denen die etablierten Schmerzmittel versagt haben.



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Artikel online veröffentlicht:
14. Juni 2023

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