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DOI: 10.1055/s-0044-1790346
Selbstkontrollfähigkeiten und Exekutivfunktionen bei spezifischen Internetnutzungsstörungen: Ergebnisse mit neurokognitiven Aufgaben
Hintergrund und Fragestellung: Verminderte Selbstkontrollfähigkeiten werden häufig mit Defiziten in Exekutivfunktionen assoziiert. Der Forschungsstand zur Relevanz von Exekutivfunktionen und anderen kognitiven Fähigkeiten im Zusammenhang mit der Computerspielstörung und anderen spezifischen Internetnutzungsstörungen ist jedoch noch sehr überschaubar. Wir gingen der Frage nach, ob sich Personen mit unproblematischer, riskanter und pathologischer Nutzung spezifischer Internetanwendungen hinsichtlich ihrer Leistungen in verschiedenen kognitiven Aufgaben voneinander unterscheiden.
Methoden/Erläuterung des Versorgungsprojektes: Die präsentierten Daten sind Teil einer groß angelegten multizentrischen Studie (FOR2974), die zwischen Oktober 2021 und November 2023 erhoben wurden. Anhand standardisierter klinischer Interviews für spezifische Internetnutzungsstörungen (Computerspielstörung, Kauf-Shopping-Störung, Pornografienutzungsstörung, Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung) wurden die Teilnehmenden in drei Gruppen eingeteilt, die folgenden Stadien der Störungsbilder repräsentieren: pathologisch (n=252), riskant (n=276) und unproblematisch (n=438). Alle Teilnehmenden wurden einer umfassenden Laboruntersuchung unterzogen (FOR2974-Kernbatterie), die unter anderem folgende kognitive Aufgaben inkludierte: Modified Card Sorting Test (MCST), Stroop-Test, Test zum logischen Denken, Game of Dice Task, eine Delay-Discounting-Aufgabe und eine Go/No-Go-Aufgabe mit internetbezogenen Reizen.
Ergebnisse/Erfahrungen, Erwartungen: Die Gruppen unterschieden sich signifikant in allen kognitiven Maßen. Personen mit pathologischer Nutzung zeigten bei fast allen Aufgaben signifikant reduzierte Leistungen im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen. Die Gruppen von Personen mit riskanter und unproblematischer Nutzung unterschieden sich nicht signifikant voneinander, außer in der Fehlerrate im MCST. Explorative Post-Hoc-Analysen ergaben signifikante Geschlechtereffekte. Insbesondere innerhalb der Gruppe mit pathologischer Nutzung wiesen Frauen tendenziell eine deutlichere Reduktion der Leistungen auf als Männer.
Diskussion und Schlussfolgerung: Spezifische Internetnutzungsstörungen scheinen mit Defiziten in Selbstkontrollfähigkeiten einherzugehen. Die Ergebnisse deuten auf verminderte generelle Exekutivfunktionen, unvorteilhafteres Entscheidungsverhalten und Schwierigkeiten bei stimulus-spezifischer Inhibitionskontrolle hin, die sich jedoch erst in späteren Phasen der Suchtentwicklung zeigen. Mögliche geschlechts- und nutzungs-spezifische Unterschiede sind wahrscheinlich und sollten bei der Konzeption von Trainings und Interventionen berücksichtigt werden.
Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen: Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, welche die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.
Erklärung zur Finanzierung: Die Studie wurde im Rahmen der Forschungsgruppe ACSID, FOR2974, durchgeführt, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wird – 411232260.
Publication History
Article published online:
19 September 2024
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Georg Thieme Verlag KG
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