Suchttherapie 2024; 25(S 01): S33
DOI: 10.1055/s-0044-1790373
Abstracts
Symposien
S20 Sexualisierter Substanzgebrauch, Onlinesex- und Internetsucht – Behandlungsansätze im Zusammenspiel aus Wissenschaft und Praxis

Tabuthema Perversion: [Online-]Sexsucht und die gefährliche Begierde nach Mutterliebe

Nanne Dominick
1   Ambulanz für Spielsucht, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
,
Manfred Beutel
2   Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
,
Klaus Wölfling
1   Ambulanz für Spielsucht, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
,
Inge Seiffge-Krenke
3   Departement für Entwicklungspsychologie, Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz, Mainz, Deutschland
› Institutsangaben
 

Hintergrund und Fragestellung: Vorgestellt wird ein 39-jähriger Steuerberater, verheiratet 4 Kinder. Der Patient hatte nach längerem exzessiven Pornokonsum eine inzwischen zwei jährige Affäre mit der im Haus lebenden Schwiegermutter begonnen, welche überwiegend oralen Praktiken umfasse, die seine Ehe gefährdet. ICD10: F65.0G. Der Patient schildert eine belastende Kindheit und eine schwierige, lieblose Beziehung zu seiner jungen Mutter (-18), der Vater kaum präsent. Bereits in der Adoleszenz entwickelte er Interesse an älteren Frauen, was sich zunächst in Masturbation und Pornokonsum mit immer etwa 20 Jahre älteren Frauen zeigte. Die sexuellen Phantasien betrafen die Mütter seiner Freunde, inhaltlich ist das Thema liebesvolles Kümmern präsent. Die Beziehung zu seiner gleichaltrigen Ehefrau schildert er als liebevoll. Das Paar und die Kinder schlafen im Familienbett, „Sex vermisse er nicht“.

Methoden/Erläuterung des Versorgungsprojektes: In den ambulanten Angeboten der Psychosomatischen Klinik der UM wurde der Patient diagnostisch und therapeutisch versorgt.

Ergebnisse/Erfahrungen, Erwartungen: Nach einem gemeinsamen Gespräch fanden ständige Grenzüberschreitungen von beiden statt. Seine Ehefrau begleitete ihn zu den Sitzungen, drang mehrmals ins Therapiezimmer ein und forderte unter hysterischen Weinanfällen Diagnosen und Therapievorschläge, lehnte jedoch gleichzeitig – wie ihr Ehemann – die Angebote ab. Der Patient hatte extreme Schwierigkeiten, das Setting einzuhalten. Er füllte die Sitzungen mit infantilem Weinen und Klagen, wobei zusätzliche weitere Sitzungen gefordert wurden. Er zeigte unaufgefordert intime Bilder seiner Familie und versuchte die Therapeutin in seine häusliche Welt zu integrieren. Es stellte sich heraus, dass der Patient und seine Ehefrau parallel zu den Gesprächen in der Klinik eigene Therapien begonnen hatten.

Diskussion und Schlussfolgerung: Konzeptuell wird das Krankheitsbild aus verschiedenen theoretischen Perspektiven betrachtet: das Freud'sche Konzept des Anlehungstypus vs. Nazistischen Typus, Winnicott‘s Unterscheidung in das beruhigende und erregende Objekt sowie Stoller‘s Konzeption als Perversion, einer erotischen Form von Hass. Therapeutisch wird vorgeschlagen, vor allem an dem OPD-Version zu arbeiten: Fokus auf die Integration der abgespaltenen Selbstanteile sowie die Steuerung von aggressiven Impulsen.

Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen: Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, welche die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten. Erklärung zur Finanzierung: Finanzierung der Studie erfolgt über Behandlungserlöse.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
19. September 2024

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