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DOI: 10.1055/s-0044-1790400
Evidenzbasierung in der Spielerschutzkommunikation – Zentrale Befunde einer Fokusgruppenstudie zum Spielerschutz in Deutschland
Hintergrund und Fragestellung: In Deutschland wurde es bisher versäumt, die Perspektive von Spieler*innen in den Entwicklungsprozess von Spielerschutzmaßnahmen einzubeziehen, wie es die Leitlinie evidenzbasierte Gesundheitsinformation empfiehlt. Forschungsbefunde deuten zudem darauf hin, dass die Wahrnehmung und Nutzung von Informations- und Hilfsangeboten bei Glücksspielproblemen durch Spieler*innen auf einem mittleren bis niedrigen Niveau liegen. Anhand von Fokusgruppendiskussion wurden erstmals Meinungen und Einstellungen von Glücksspieler*innen bezüglich der Spielerschutzmaßnahmen in Deutschland vertiefend exploriert und Optimierungsansätze identifiziert.
Methoden/Erläuterung des Versorgungsprojektes: Es wurden drei leitfadengestützte Fokusgruppendiskussionen mit insgesamt 19 Glücksspieler*innen durchgeführt. Im Vorfeld erfolgte ein Screening auf Problemspielverhalten anhand des Problem Gambling Severity Index (PGSI). Rund 58% der Studienteilnehmer*innen wiesen ein problematisches oder pathologisches Spielverhalten auf. Anhand eines Leitfadens wurden die Proband*innen zur Bekanntheit und Bewertung von Spielerschutzmaßnahmen befragt. Zudem erfolgte die Diskussion möglicher Verbesserungsvorschläge für den Spielerschutz. Die Fokusgruppen wurden per Video aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Die Datenauswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring und Kuckartz. Dabei wurde zunächst ein deduktives Kategoriensystem anhand des Leitfadens erstellt. Die weitere Ausdifferenzierung des Kategoriensystems in Subkategorien erfolgte schrittweise induktiv am Material. Anschließend wurden die Aussagen der Studienteilnehmer*innen den Kategorien zugewiesen und deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse/Erfahrungen, Erwartungen: Glücksspieler*innen nehmen Spielerschutzmaßnahmen online und terrestrisch kaum wahr. In Relation zur Produktwerbung sind Spielerschutzmaßnahmen eher unauffällig und versteckt. Glücksspieler*innen empfinden Glücksspielanbieter als Absender von Spielerschutzbotschaften als unglaubwürdig. Weiterhin nehmen die Studienteilnehmer*innen ein Spannungsfeld zwischen der Eigenverantwortung von Spieler*innen und der Notwendigkeit von staatlicher Regulierung wahr. Zur Verbesserung des Spielerschutzes in Deutschland wird die Vereinheitlichung und stärkere Regulierung von Spielerschutzmaßnahmen vorgeschlagen. Weiterhin wird eine prominente und gleichrangige Platzierung von Spielerschutzmaßnahmen gefordert.
Diskussion und Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der Fokusgruppendiskussion legen nahe, dass die derzeit umgesetzten Spielerschutzmaßnahmen die Informationsbedürfnisse von Glücksspieler*innen nur unzureichend erfüllen. Das Einbeziehen von Glücksspieler*innen in den Entwicklungsprozess von Spielerschutzmaßnahmen kann dazu beitragen, eine evidenzbasierte Spielerschutzkommunikation in Deutschland zu fördern.
Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen: Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, welche die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten. Erklärung zur Finanzierung: Das Kompetenzzentrum Spielerschutz & Prävention (KSP), Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz, erhält Drittmittel für die wissenschaftliche Begleitung staatlich konzessionierter Glücksspielanbieter bei der Entwicklung, Umsetzung und Evaluierung von Sozialkonzepten. Bei der Konzeption von Forschungsvorhaben zur Qualitätssicherung im Spielerschutz ist das KSP unabhängig in der Auswahl der Fragestellungen, der Auswertung und Interpretation der Daten sowie der Veröffentlichung der Ergebnisse. Für die vorgestellte Studie zur Wahrnehmung, Verbesserung und Bewertung von Spielerschutzmaßnahmen in Deutschland hat das KSP eine Teilfinanzierung der Land Brandenburg Lotto GmbH erhalten.
Publication History
Article published online:
19 September 2024
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