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DOI: 10.1055/s-0044-1790420
Einflussfaktoren auf die prolongierte Abstinenz von suchtkranken Straftätern im Maßregelvollzug
Hintergrund und Fragestellung: Abhängigkeitserkrankungen (substance use disorders, SUDs) werden von der WHO als chronische Erkrankungen gelistet, die von sich wiederholenden Zyklen aus Abstinenz und Rückfall gekennzeichnet sind. Trotz jahrzehntelanger, extensiver präklinischer und klinischer Forschung besteht limitierter Fortschritt, solche Rückfälle zu minimieren, bzw. eine langfristige Remission zu erreichen. Faktoren, die einen Rückfall nach einer Periode prolongierter Abstinenz beeinflussen, sind dabei noch weniger erforscht. Vor allem deshalb, weil Langzeitstudien kostenintensiv und von hohen Drop-Out-Raten gekennzeichnet sind. Hierzu bietet aber gerade der Deutsche Maßregelvollzug nach § 64 StGB mit seinem zweijährigen, multimodalen Therapiekonzept und anschließender bis zu fünfjähriger Nachsorgebetreuung ideale Voraussetzungen. Aus diesem Grund geht dieses Forschungsprojekt der Frage nach, welche sozialen, psychiatrischen und der Persönlichkeit zuzuordnenden Faktoren eine Rolle in einer derartigen Rückfallsituation spielen.
Methoden/Erläuterung des Versorgungsprojektes: Zur Beantwortung der gestellten Forschungsfragen nutzt die vorliegende Studie in einem retrospektiven, aktenbasierten Zugang eine Fülle an Daten von 439 nach § 64 StGB untergebrachten Männern aus zwei bayrischen Maßregelvollzugskliniken (Bezirkskrankenhaus Günzburg und Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren).
Ergebnisse/Erfahrungen, Erwartungen: Während sich wenig überraschend klassische Rückfallfaktoren, wie emotionaler Stress oder soziale Hochrisikosituationen (z.B. Partys) als signifikant erwiesen, stellte sich heraus, dass gerade Persönlichkeitsstörungen, der Verlust von Motivation, die Anzahl der früheren Verurteilungen und das Alter bei Erstverurteilung eine starke Rolle hinsichtlich der Rückfallwahrscheinlichkeit einnahmen. Noch überraschender war jedoch die Liste der Faktoren, die keinen Einfluss auf einen Rückfall hatten: Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), der soziale Empfangsraum, der Beziehungsstand, Arbeitstätigkeit vs. -losigkeit bei Entlassung, die Anzahl an vorhergehenden Suchtbehandlungen oder Gewalt als Indexstraftat.
Diskussion und Schlussfolgerung: In Summe verweist diese Studie darauf, dass Faktoren, die aus klinisch-therapeutischer Sicht im Fokus stehen, wie beispielsweise der soziale Empfangsraum oder das Nachgehen einer Arbeit, wenig bis gar keinen protektiven Einfluss auf eine prolongierte Abstinenz besitzen. Die Effektivität und Ressourcenbindung durch DBT ist, basierend auf den vorliegenden Ergebnissen, zumindest in Frage zu stellen.
Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen: Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, welche die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.
Publication History
Article published online:
19 September 2024
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Georg Thieme Verlag KG
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