Suchttherapie 2024; 25(S 01): S53-S54
DOI: 10.1055/s-0044-1790421
Abstracts
Symposien
S33 Substanzkonsumstörungen und deren Behandlung im Maßregelvollzug

Alkoholkonsumstörung bei Frauen als Risikofaktor für Gewaltdelikte

Helena Schneider
1   Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Ulm, Ulm, Deutschland
,
Juliane Mayer
2   Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, kbo-Isar-Amper Klinikum Haar, Haar, Deutschland
,
Judith Streb
1   Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Ulm, Ulm, Deutschland
,
Ivonne Steiner
1   Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Ulm, Ulm, Deutschland
,
Viviane Wolf
3   Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
,
Verena Klein
4   Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, kbo-Isar-Amper Klinikum Taufkirchen (Vils), Taufkirchen (Vils), Deutschland
,
Manuela Dudeck
1   Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Ulm, Ulm, Deutschland
,
Irina Franke
5   Forensische Psychiatrie, Psychiatrische Dienste Graubünden, Chur, Chur, Schweiz
› Author Affiliations
 

Hintergrund und Fragestellung: Die Forschung verweist auf einen engen Zusammenhang zwischen Störungen des Substanzmissbrauchs (substance use disorder, SUD), insbesondere des Alkoholkonsums (alcohol use disorder, AUD), und gewalttätigem Verhalten. Dieser Effekt findet sich bei Männern und Frauen gleichermaßen; er ist jedoch bei Männern stärker ausgeprägt. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob geschlechtsspezifische Risikofaktoren den Zusammenhang zwischen verschiedenen Arten von Substanzmissbrauch und Gewalt moderieren.

Methoden/Erläuterung des Versorgungsprojektes: Zur Beantwortung der Fragestellung wurden die Daten von 334 suchtkranken Maßregelvollzugspatientinnen retrospektiv erfasst. Der Einfluss häufig genannter geschlechtsspezifischer Risikofaktoren für Gewalt – wie Suchterkrankungen in der Herkunftsfamilie und Viktimisierungserfahrungen in Kindheit, Jugend und im Erwachsenenalter – auf den Zusammenhang zwischen Suchterkrankung und Gewalt wurde analysiert.

Ergebnisse/Erfahrungen, Erwartungen: Insgesamt hatten 72% der Patientinnen mit AUD ein Gewaltverbrechen begangen, das zu ihrer Einweisung geführt hatte, verglichen mit nur 19% der Patientinnen mit anderen SUDs. Bei mehr als 70% der Teilnehmerinnen mit AUD gab es eine AUD in der Familiengeschichte. Die Raten für aggressives Verhalten während der stationären Behandlung unterschieden sich nicht signifikant zwischen Personen mit AUD und solchen mit anderen SUDs. Allerdings war das Risiko, nach der Entlassung erneut ein Gewaltdelikt zu begehen, bei Patientinnen mit AUD neunmal höher als bei Patientinnen mit anderen SUDs.

Diskussion und Schlussfolgerung: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die AUD ein signifikanter Risikofaktor für Gewaltdelikte bei Frauen ist. Ein familiärer Hintergrund der AUD sowie eine Vorgeschichte körperlicher Misshandlung erhöhen die Wahrscheinlichkeit sowohl für AUD als auch für Straftaten. Dies deutet auf eine mögliche Interaktion zwischen (epi-) genetischen und Umweltfaktoren hin. Die vergleichbaren Aggressionsraten während einer stationären Behandlung bei Patientinnen mit AUD und anderen SUDs lassen den Schluss zu, dass Abstinenz ein Schutzfaktor für Gewalt ist.

Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen: Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, welche die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.

Erklärung zur Finanzierung: Dieses Projekt wurde aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.



Publication History

Article published online:
19 September 2024

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