Suchttherapie 2024; 25(S 01): S57
DOI: 10.1055/s-0044-1790430
Abstracts
Symposien
S35 Wege zur Akzeptanz: Entstigmatisierung von Suchterkrankungen als gesellschaftliche Herausforderung

(Selbst-)Stigmatisierung im Kontext der Empfehlung zur Alkoholabstinenz während der Schwangerschaft

Annette Binder
1   Sektion Suchtmedizin und Suchtforschung, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
,
Carolin Kilian
2   Centre for Addiction and Mental Health, Institute for Mental Health Policy Research, Toronto, Kanada
,
Sara Hanke
1   Sektion Suchtmedizin und Suchtforschung, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
,
Meryem Banabak
1   Sektion Suchtmedizin und Suchtforschung, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
,
Clara Berkenhoff
1   Sektion Suchtmedizin und Suchtforschung, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
,
Kay Uwe Petersen
1   Sektion Suchtmedizin und Suchtforschung, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
,
Anil Batra
1   Sektion Suchtmedizin und Suchtforschung, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
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Hintergrund und Fragestellung: In Deutschland wird wie in vielen anderen Ländern empfohlen, während der Schwangerschaft komplett auf Alkoholkonsum zu verzichten. Dieser Präventionsansatz soll dazu beitragen, mögliche Schäden bei ungeborenen Kindern zu vermeiden. Ziel dieser qualitativen Studie ist die Analyse von in Onlineforen stattfindenden Diskussionen mit Fokus auf die Wahrnehmung, der Abstinenzempfehlung während der Schwangerschaft in Bezug auf Stigmatisierung und Selbststigmatisierung.

Methoden/Erläuterung des Versorgungsprojektes: Der Datencorpus bestanden aus 9 Diskussionsthreads aus 5 verschiedenen Onlineforen und Blogs mit insgesamt 115 Teilnehmenden. Mittels Grounded-Theory-Ansatz wurden die Online-Diskussionen über Alkoholkonsum während der Schwangerschaft analysiert. Wir verwendeten während der Analyse entwickelte Schlüsselkonzepte und die Stigma-Theorie, um die Beiträge zu interpretieren.

Ergebnisse/Erfahrungen, Erwartungen: Es zeigte sich, dass eine geringe alkoholbezogene Gesundheitskompetenz als Nährboden für Stigmatisierung angesehen werden kann. Es wurde deutlich, dass die Annahme, dass mütterliche Abstinenz eine Voraussetzung dafür sei, als „gute Mutter“ betrachtet zu werden, weit verbreitet war. Als Folge von Stigmatisierung bzw. Selbststigmatisierung traten Rollenkonflikte und ein schlechtes Gewissen auf. Die Rolle psychosozialer Faktoren beim Alkoholkonsum während der Schwangerschaft, insbesondere hinsichtlich der Verantwortung von Partnern, nahm in den Diskussionen wenig Raum ein. Die Abstinenzempfehlung wurde teilweise als vollständiges Verbot wahrgenommen, was mit dem Gefühl eines Autonomieverlusts einher ging.

Diskussion und Schlussfolgerung: Die gegenwärtige Praxis der Kommunikation einer Abstinenzempfehlung während der Schwangerschaft kann unbeabsichtigte negative Folgen haben. Insbesondere geringe Gesundheitskompetenz mit Fehlannahmen zu geringen Alkoholmengen und hohe Erwartungen an die Mutterschaft sind Faktoren, die zu Stigmatisierung oder Selbststigmatisierung beitragen können. Um alkoholbezogene Gesundheitskompetenz zu verbessern und eine Stigmatisierung zu vermeiden, könnten eine offene und wertschätzende Kommunikation zum Thema Alkoholkonsum während der Schwangerschaft sowie stigmasensible Aufklärungskampagnen hilfreich sein.

Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen: Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, welche die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten. Erklärung zur Finanzierung: Die Finanzierung erfolgte durch Eigenmittel der Sektion Suchtmedizin und Suchtforschung



Publication History

Article published online:
19 September 2024

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