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DOI: 10.1055/s-0044-1790458
Suizid und Substanzkonsum in Untersuchungshaft: Evaluation und Anpassung von Hilfsmaßnahmen
Hintergrund und Fragestellung: Aufgrund von Clustern von Suizidfällen in den Hamburger Justizvollzugsanstalten während der SARS-CoV-2 – Pandemie (2020, 2021), erfolgte eine Überprüfung der vorhandenen suizidpräventiven Maßnahmen. Ein Risikofaktor für Suizidalität ist das Vorliegen einer Substanzkonsumstörung. Weitere Risikofaktoren für eine erhöhte Suizidgefährdung, wie männliches Geschlecht oder psychische Erkrankungen – diese Faktoren sind nicht erschöpfend, sondern nur eine Auswahl – sind bei Inhaftierten im Gegensatz zur Allgemeinbevölkerung überrepräsentiert. Um die Fürsorgepflicht in der Untersuchungshaft noch besser zu wahren, wurden bereits bestehende Hilfsmaßnahmen zur Suizidprävention evaluiert und weiterentwickelt.
Methoden/Erläuterung des Versorgungsprojektes: Das Studiendesign folgt einem mixed methods-Ansatz. Dieser besteht aus einer Aktenanalyse von rechtsmedizinischen Sektionsprotokollen und Gefangenen-Personalakten der Suizident:innen im Zeitraum von 1996 – 2022 sowie je 10 leitfadengestützten Interviews mit Inhaftierten und Mitarbeitenden der Hamburger Untersuchungshaftanstalt zu zwei Zeitpunkten (2012, 2022).
Ergebnisse/Erfahrungen, Erwartungen: In der Untersuchungshaft besteht häufiger ein Zusammenhang zwischen Inhaftierung, illegalem Substanzkonsum und Sucht. Auch in Haft bleiben die legale und illegale Verbreitung von Substanzen, Drogenhandel innerhalb der Justizvollzugsanstalt oder das Methadon-Substitutionsverfahren aktuelle Themen. Darüber hinaus können Suchtproblematiken, die besonderen Belastungen der Untersuchungshaft und illegaler Substanzkonsum akute Suizidalität befördern. Im Erhebungszeitraum 2013 – 2022 lag bei 16 von 20 Suizident:innen eine psychische Erkrankung vor. In vier Fällen gab es dazu keine Informationen. Bei 25% (n= 5) der Suizident:innen lag eine Alkoholkonsum- oder Substanzkonsumstörung vor. Darüber hinaus begingen 3,5% der Inhaftierten Suizid durch eine Überdosis an Methadon-Tabletten.
Diskussion und Schlussfolgerung: Es ist wichtig die Rolle illegaler Substanzen im Haftkontext frühzeitig zu erkennen und geeignete Leitlinien und Maßnahmen zu implementieren. Teilweise wurden Maßnahmen eingeleitet, die noch verstetigt werden können. Die hohe Prävalenz psychischer Erkrankungen bei Inhaftierten, auch durch Fälle des § 126a StPO, weisen, wie auch die Auswertung der Mitarbeitendeninterviews aus der Untersuchungshaft, in die Richtung einer Erweiterung des Konsiliardienstes (an drei Werktagen) zum Aufbau psychiatrischer Präsenz.
Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen: Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, welche die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.
Erklärung zur Finanzierung: Das Projekt wurde aus Mitteln der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz, Amt für Justizvollzug und Recht, der Freien und Hansestadt Hamburg finanziert.
Publication History
Article published online:
19 September 2024
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Georg Thieme Verlag KG
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