Suchttherapie 2024; 25(S 01): S69-S70
DOI: 10.1055/s-0044-1790462
Abstracts
Symposien
S44 Suchthilfe für strafrechtlich Verurteilte – Anregung zur strukturellen Veränderung und Vorstellung Behandlungsmöglichkeiten

Verbessert Beziehungskontinuität in forensisch-psychiatrischen Suchtbehandlungen nach § 64 StGB die Behandlungsergebnisse?

Felipe Montiel
1   Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Bezirkskliniken Schwaben Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren, Kaufbeuren, Deutschland
,
Manuela Dudeck
2   Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie Günzburg, Bezirkskliniken Schwaben Bezirkskrankenhaus Günzburg, Günzburg, Deutschland
3   Universität Ulm, Deutschland
,
Judith Steb
2   Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie Günzburg, Bezirkskliniken Schwaben Bezirkskrankenhaus Günzburg, Günzburg, Deutschland
3   Universität Ulm, Deutschland
,
Irina Franke
4   Forensische Psychiatrie, Psychiatrische Dienste Graubünden, CH-Cazis, Schweiz
› Author Affiliations
 

Hintergrund und Fragestellung: Die Behandlung von Straftätern mit einer Substanzkonsumstörung im Maßregel-vollzug stellt eine einschneidende, zeit- und kostenintensive Maßnahme dar und steht aufgrund der hohen Misserfolgsquote in der Kritik. Frühere Studien fokussierten auf prädiktive Merkmale für den Therapieerfolg und weniger auf Behandlungsmodalitäten. Diese Untersuchung prüft, ob eine kontinuierliche psychologische Arbeitsbeziehung die allgemeine und forensisch-spezifische therapeutische Beziehungsqualität verbessert und postuliert, dass Beziehungskontinuität zu besseren Behandlungsergebnissen führt.

Methoden/Erläuterung des Versorgungsprojektes: Beziehungskontinuität wurde definiert als durchgehende Case-Management-Arbeitsbeziehung ohne Therapeutenwechsel. Berücksichtigte Kovariaten basieren auf Literaturangaben zu Risikofaktoren für einen ungünstigen Therapieverlauf, darunter: Alter bei erster Straffälligkeit, Dauer des längsten Arbeitsverhältnisses, Alter bei Erstmanifestation der Substanzmittelabhängigkeit, Suizidversuch in der Vorge-schichte sowie Impulsivität und Neurotizismus. Es wurden N= 193 Patienten, die gemäß §64 StGB zwischen 2018 und 2022 im Maßregelvollzug in Kaufbeuren untergebracht waren, über vier halbjährliche Mess-zeitpunkte und zur Entlassung untersucht. Neben den Basisdaten kamen der Fragebogen zur Erfassung der therapeutischen Allianz, Working Alliance Inventory – Short Revised, der Fragebogen zur therapeutischen Beziehung in der Forensik, die Kurzskala zur Messung der fünf Dimensionen der Persönlichkeit, Big-Five-Inventory-10 und die Kurzskala zur Messung von Impulsivität zum Einsatz.

Ergebnisse/Erfahrungen, Erwartungen: Die Beziehungsqualität war nicht von der Beziehungskontinuität oder den Risiko-faktoren abhängig. Es wurden jedoch vermehrt negative forensische Aspekte in der Beziehungsqualität (u.a. Machtgefälle) bei Beziehungsabbrüchen berichtet. Hinsichtlich des Therapieerfolgs wurde festgestellt, dass die Beziehungskontinuität nicht den erwarteten positiven Einfluss hatte. Patienten mit Beziehungsabbrüchen hatten entgegen der Erwartung eine höhere Erfolgsquote. Impulsivität, Neurotizismus und Suizidversuche waren relevante Prädiktoren.

Diskussion und Schlussfolgerung: Beziehungskontinuität hatte keinen entscheidenden Einfluss auf die Beziehungs-qualität und das Therapieergebnis. Die Ergebnisse legen nahe, dass im forensi-schen Setting die schnelle Wiederaufnahme der Arbeit nach einem Beziehungsabbruch und das Ermöglichen neuer therapeutischer Beziehungen wichtige korrigierende Erfahrungen bieten können. Die Betrachtung der Ursachen eines Beziehungsabbruchs sowie Therapeutencharakteristika könnten die Ergebnisse erklären.

Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen: Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, welche die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.



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Article published online:
19 September 2024

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