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DOI: 10.1055/s-0044-1790477
Zusammenhänge zwischen prä- und postnataler Cannabisexposition und emotionaler und Verhaltensregulation in der frühen Kindheit: Ein systematisches Review zu Primärstudienbefunden und möglichen neurobiologischen Mechanismen
Hintergrund und Fragestellung: Frühere Untersuchungen weisen darauf hin, dass eine pränatale Alkohol- oder Tabakexposition mit Regulationsproblemen von Kindern assoziiert ist – über Zusammenhänge mit Cannabisexposition ist dagegen weniger bekannt. Da frühe Regulationsprobleme das Risiko für psychische Erkrankungen über die gesamte Lebensspanne erhöhen, ist deren Prävention von besonderer Bedeutung. Angesichts der aktuellen Cannabis-Legalisierung in Deutschland einerseits, sowie der steigenden Zahlen psychischer Erkrankungen im Kindesalter auf der anderen Seite, ist das Wissen um die Auswirkungen einer pränatalen Cannabisexposition wichtig, um Empfehlungen und Maßnahmen zum Schutz der ungeborenen Kinder einleiten zu können und so von Anfang an eine gesunde psychische Entwicklung zu fördern.
Methoden/Erläuterung des Versorgungsprojektes: Um die aktuelle Evidenzlage zu möglichen Zusammenhängen von mütterlichem Cannabiskonsum in der präkonzeptionellen Phase, der pränatalen Phase oder der postnatalen Phase jeweils mit Regulationsfähigkeit und Regulationsproblemen bei 0- bis 6-jährigen Kindern zusammenzufassen, wurde gemäß den PRISMA-Richtlinien eine systematische Literaturrecherche in Medline (PubMed), Web of Science und PsycInfo durchgeführt. Zusätzlich wurden zugrundeliegende neurobiologische Mechanismen in die Literatursuche eingeschlossen, diese Zusammenhänge möglicherweise vermitteln.
Ergebnisse/Erfahrungen, Erwartungen: Von n= 1.061 geprüften Artikeln wurden schließlich n= 33 eingeschlossen. Verminderte Regulationsfähigkeiten nach Cannabisexposition zeigten sich vor allem bei Säuglingen, während Regulationsprobleme tendenziell häufiger ab dem zweiten Lebensjahr auftraten. Mögliche neurobiologische Mechanismen scheinen Veränderungen der Methylierung und der Genexpression von Schlüsselgenen zu sein, die am Endocannabinoidsystem, dopaminergen und opioiden System beteiligt sind. Weiterhin gibt es Hinweise auf eine erhöhte Cortisolreaktivität, veränderte sekretorische Immunglobulin-A-Level sowie Veränderungen in Gehirnstruktur und -konnektivität.
Diskussion und Schlussfolgerung: Die Evidenzlage deutet darauf hin, dass eine pränatale Cannabisexposition sowohl mit altersabhängigen Veränderungen in der Selbstregulation als auch mit neurobiologischen Veränderungen bei Kleinkindern in Verbindung steht, was präventive Maßnahmen nahelegt. Die begrenzte Studienlage sowie methodische Probleme wie kleine Stichproben und die fehlende Berücksichtigung von Kontrollvariablen, schränken die Aussagekraft ein und unterstreichen den Bedarf an qualitativ hochwertigen kontrollierten Längsschnittstudien.
Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen: Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, welche die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.
Publication History
Article published online:
19 September 2024
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Georg Thieme Verlag KG
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