Fortschr Neurol Psychiatr 2000; 68(11): 489-495
DOI: 10.1055/s-2000-10030
ORIGINALARBEIT
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Männer und Depression: geschlechtsspezifisches Hilfesuchverhalten

A. M. Möller-Leimkühler
  • Psychiatrische Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München (Direktor: Prof. Dr. H.-J. Möller)
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

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Zusammenfassung:

Neuere Daten zum geschlechtsspezifischen Hilfesuchverhalten belegen konsistent niedrigere Inanspruchnahmeraten und geringere Hilfesuche bei Männern, insbesondere bei emotionalen Problemen und depressiven Symptomen. Es gibt empirische Evidenzen dafür, dass die geringere Behandlungsquote depressiver Erkrankungen bei Männern weniger auf eine geringere Behandlungsbedürfigkeit von Männern schließen lässt als vielmehr auf eine Diskrepanz zwischen Hilfebedarf und Hilfesuche. Vor dem Hintergrund gesellschaftlichen Wandels verweist die steigende Depressionsrate von Männern auf die Bedeutung der sozialen Geschlechtsrolle nicht nur als Risikofaktor, sondern auch als einer wesentlichen Determinante von Hilfesuche. Es wird argumentiert, dass soziale Normen traditioneller Maskulinität über die Hemmung von Expressivität Barrieren der Hilfesuche produzieren, indem sie bereits die Symptomwahrnehmung als ersten Schritt im Prozess der Hilfesuche beeinflussen und Reaktionen auf Symptome steuern. Neben diesen prädisponierenden Faktoren einer mangelnden Hilfesuche bei Männern werden medizinspezifische und gesellschaftliche Faktoren angeführt, die die Hilfesuche zusätzlich erschweren können. Die Frage, inwieweit der Wandel der traditionellen männlichen Geschlechtsrolle nicht nur Rollenkonflikte, sondern auch positive Gesundheitseffekte impliziert, bleibt weiterer Forschung vorbehalten.

Men and Depression: Gender-Related Help-Seeking Behaviour:

As epidemiological data concerning gender-related help-seeking behaviour indicate, consultation rate and help-seeking by men is consistently lower, especially in the case of emotional problems and depressive symptoms. There is empirical evidence that the poor treatment rate of men cannot be explained by a better health but must be attributed to a discrepancy of need and help-seeking behaviour. Social change and epidemiological trends in depression point to the male gender-role being an important factor of increasing rates among young men as well as an important determinant of help-seeking behaviour. It is argued that social norms of traditional masculinity make help-seeking more difficult because of the inhibition of expressivenes affecting symptom perception and symptomatology of depression. Besides these predisposing factors of male help-seeking other medical and social factors are mentioned producing further barriers to help-seeking. Further research is needed to investigate the question whether changing masculinity implies gender-role conflict or positive health effects.