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DOI: 10.1055/s-2000-10488
Ein integriertes Konzept zur Kontrazeptionsberatung und HIV-Prävention für junge Frauen: das Projekt Nécessaire
Publication History
Publication Date:
31 December 2000 (online)
Zusammenfassung
Ziel der Studie: Der vorliegende Artikel beschreibt Ergebnisse der Evaluation des Projekts „Nécessaire für junge Frauen”. Das Projekt zielte auf Förderung und Erhaltung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit von jungen Frauen in der Deutschschweiz. Hierbei handelt es sich um ein originelles Konzept, dessen Grundidee es war, jugendgerechte Informationsbroschüren kombiniert mit Beilagen (Kondom, Kleber, Kaugummi) in einem Kosmetiktäschchen abzugeben und gleichzeitig die Beratungsqualität zu verbessern.
Methode: Die Meinung sowohl junger Nécessaire-Empfängerinnen (n = 183) als auch von Fachpersonen (n = 154), die mit Nécessaires gearbeitet haben, wurde mittels halbstrukturierter Fragebogen erhoben. Das Monitoring der Bestellungen während 7 Monaten (n = 264) vermittelte einen Eindruck über die Verwendung des Produkts durch verschiedene Institutionen.
Ergebnisse: Junge Mädchen beurteilen das Produkt äußerst positiv. Geschätzt wird v. a. die Broschüre „Rosa zwischen Lust und Frust”, die im Stile eines kommentierten Tagebuchs die Leserinnen sehr anspricht. Kritisch angemerkt wird, dass grundsätzlich junge Männer auch vermehrt auf ihre Verantwortung im Zusammenhang mit Kontrazeption, HIV-Prävention und Partnerschaft sensibilisiert werden sollen.
Die befragten Fachpersonen, die mit einem Nécessaire gearbeitet haben, möchten generell das Nécessaire auch weiterhin in ihrer Berufstätigkeit einsetzen. Gewünscht wird Umsetzungshilfe für den praktischen Einsatz des Nécessaires im Berufsalltag. Zudem werden ähnliche Produkte für die Arbeit mit jungen Männern und Migrantinnen gefordert.
Das Monitoring des Bestellwesens zeigt, dass sich vor allem Schulen und Institutionen der nichtschulischen Jugendarbeit für das Produkt interessierten. Von ärztlichen Praxen und Beratungsstellen - für die das Projekt auf Grund einer vorgängigen Bedarfsabklärung hauptsächlich entworfen wurde - gingen verhältnismäßig wenig Bestellungen ein.
Schlussfolgerungen: Das Nécessaire genießt generell eine hohe Akzeptanz. Die Wissensvermittlung und die Unterstützung von jungen Frauen in der Umsetzung HIV-präventiver Maßnahmen ist dem Projekt „Nécessaire” gelungen. Als Hilfsmittel für die individuelle Beratung von jungen Frauen - insbesondere im Zusammenhang mit der HIV-Prävention - wurde das Produkt nicht im erwünschten Maße eingesetzt. Auf Grund der sehr guten Beurteilung durch die Nécessaire-Empfängerinnen eignet sich das Nécessaire ausgezeichnet als Unterstützung in Beratungssettings und für den Einsatz in Schulen resp. in der Jugendarbeit. In Zukunft sollte der praktische Einsatz durch zielgerichtete Maßnahmen wie Begleitmaterialien und Anwendungstraining gefördert werden. Bei der Entwicklung eines ähnlichen Projekts für junge Männer resp. Migrantinnen muss das Konzept an die Lebenswelt der jeweiligen Zielgruppe angepasst werden.
An Integrated Concept for Contraceptive Counselling and HIV Prevention for Young Women: The Project "Necessaire”
Purpose: The aim of this study was to evaluate the effectiveness of the innovative project "Nécessaire” on sexual and reproductive health promotion. "Nécessaire” was developed for young women and carried out in the German-speaking part of Switzerland. The concept consisted of giving theoretical information in a brochure suitable for young women in its design combined with several items (such as condom, chewing gum, sticker) in a spongebag.
Method: Young women (n = 183) as well as professionals (n = 154) were asked to give their opinion on the "Necessaire” by filling in a semi-structured questionnaire. In addition, the product ordering was monitored over 7 months, in order to examine the use of the product by various institutions.
Results: On the whole, the young women praised the product. They especially liked the brochure, which was made up like a diary written by a young woman called Rosa. According to their answers the combination of information and useful items stimulated the reflection on topics like sexuality, love, and prevention of sexually transmitted diseases. Critical voices pointed out the need for interventions aimed at young men, in order to make them more aware of their responsibility in contraception, HIV prevention and partnerships.
The professionals generally would like to continue using the product in their work with young women. Many of them asked for more accompanying material with practical ideas for using the product. A similar product for young men and foreign youngsters was often asked for.
The monitoring of the product ordering showed that schools and institutions such as youth centres evinced the greatest interest in the product. This contrasted with the results of a feasibility study conducted in advance. Although medical and advice centres indicated a need for a product to support professionals counselling young women, these institutions ordered relatively few kits.
Conclusion: Generally speaking the "Nécessaire” was well received by young women as well as by professionals. It not only informs on sexual health but also promotes preventive behaviour in daily life. The product was not used as an aid for counselling young women as much as was intended. It is suggested to promote the Nécessaire’s use by taking specific measures like developing written material with practical ideas for professionals. In the case of developing a similar product for young men and migrants, their specific backgrounds and cultures should be taken into account and the material adapted accordingly.
Key words
Sexual Health - Young Women - Evaluation - Intervention Study - Prevention of Sexually Transmitted Diseases
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Fußnoten
1 Die Rücklaufquote kann nicht berechnet werden, da unbekannt ist, wie viele Nécessaires mit einem Fragebogen verteilt wurden.
Julie Page
Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität
Zürich
Sumatrastraße 30
8006 Zürich
Schweiz