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DOI: 10.1055/s-2000-10852-4
Zur ätiologischen Rolle gehemmter Expressivität bei Kopfschmerzen
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
28. April 2004 (online)
Einleitung
Unter dem Titel „Seelenarzt am Dirigentenpult” erschien kürzlich in der Zeitschrift ZUG (9/98) der Deutschen Bahn ein Bericht über den Dirigenten Giuseppe Sinolpi, der erst nach Ausbildung zum Psychiater professioneller Musiker wurde. Er wird mit dem Satz zitiert: „Klang ist das psychologische Mittel, um Gefühle zum Ausdruck zu bringen, Musik spiegelt die Seele.” Damit wollte er sicher nicht sagen, daß es sich bei Musik um das einzige Mittel für den Ausdruck von Gefühlen handelt, wohl aber um ein wichtiges Instrument im Konzert des Seelenlebens. In seiner Übersicht zu Effekten der Musiktherapie nennt Müller-Busch [16] die emotionale Aktivierung als ein wesentliches therapeutisches Mittel der Therapie mit Musik. Als Rational für die Anwendung von Musiktherapie bei chronischen Schmerzpatienten referiert er Eigenschaften dieser Patienten als alexithym und emotional starr und verweist auf zahlreiche Autoren, die den Wert musikalisch therapeutischer Techniken mit denen emotionales Erleben aktiviert, Emotionen an körperliche Vorgänge assoziiert, Emotionen internalisiert und tiefsitzende emotionale Konflikte aufgedeckt werden können. Der vorliegende Aufsatz soll der Frage nachgehen, in wie weit sich Patienten mit Kopfschmerzen in ihrem emotionalen Verhalten von schmerzfreien Personen unterscheiden und ob solchen Auffälligkeiten eine ätiologische oder chronifizierende Bedeutung zugemessen werden kann.
Die Hypothese gehemmter Emotionalität, vor allem von Ärger als ursächlich für Kopfschmerzen oder zumindest als typisch für diese Patienten, stammt schon aus dem späten Mittelalter. In einer medizinischen Schrift aus dem Jahre 1734 beschreibt ein Mediziner Namens Junkerius Kopfschmerzpatienten als ira, imprimis tacita et supressa - also als Menschen mit stiller, unterdrückter Wut [12]. Der seinerzeit einflußreiche Neurologe, Psychosomatiker und Schmerzexperte Harold Wolff [29] hat die Wechselwirkung zwischen psychologischen Faktoren und neurophysiologischen Mechanismen untersucht und dazu Kopfschmerzpatienten interviewt: Seinem Urteil nach, waren Kopfschmerzpatienten ehrgeizig, leistungsorientiert, perfektionistisch, zwanghaft, ordentlich, gewissenhaft, rigide und emotional gehemmt vor allem im Umgang mit Aggressivität. Als einer der ersten Kliniker hat er nicht nur beurteilt, was die Patienten über sich sagen oder wie sie sich schildern, sondern er hat ihr expressives Verhalten, ihren Gesichtsausdruck beschrieben „wie mit einstudiertem Gleichmut, meist begleitet von einem angespannten Gesichtsausdruck mit gefurchter Stirn und Verspannungen zwischen den Augenbrauen.” Während der Interviews wurden bei den Patienten physiologische Messungen vorgenommen. Er konnte zeigen, daß bestimmte Themen in den Interviews, vor allem solche mit belastenden Inhalten zu oft starken Anstiegen der physiologischen Aktivität führten. Auf dieser experimentellen Grundlage und ausgehend von klinischen Beobachtungen von psychoanalytisch orientierten Psychosomatikern, sowie ersten testpsychologischen Untersuchungen wurde von Georg Engel [7] der pain prone patient beschrieben, eine klinische Figur, die ganz wesentlich durch unterdrückten Ärger gekennzeichnet ist.
Literatur
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-
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Prof. Dr. Harald C. Traue
Abt. Medizinische Psychologie der Universität Ulm
Am Hochsäß 8
89081 Ulm
eMail: harald.traue@medizin.uni-ulm.de