Zusammenfassung
Das bayerische Neugeborenen-Screening-Programm war mit
einer Reihe von Problemen konfrontiert. Untersuchungsumfang und Prozessqualität entsprachen
nicht mehr den Screening-Richtlinien. Begünstigt durch eine Mischfinanzierung verteilt auf
Staat (PKU, Galaktosämie) und Krankenkassen (Hypothyreose) war es zu einer zunehmenden
Zersplitterung des Systems gekommen. Die dokumentierten Teilnahmeraten waren auf <
80 % gesunken. Eine zunehmende Zahl von Zweit-Screening-Untersuchungen auf Grund von
Frühentlassungen verursachte zusätzliche organisatorische Schwierigkeiten. Zur
Bewältigung dieser Probleme und angesichts methodisch-technologischer Entwicklungen
(Tandem-Massenspektrometrie) wurde das Programm neu geordnet.
In seiner Grundkonzeption
beruht das Modellprojekt, das am 1. Januar 1999 gestartet wurde, auf einer abgestimmten
Zusammenarbeit zwischen Labor (Logistik, Analytik), universitären Einrichtungen (Nachsorge,
wissenschaftliche Begleitung) und dem öffentlichen Gesundheitsdienst (Koordinierung,
Tracking). Der Zeitpunkt der Blutentnahme wurde auf den dritten Lebenstag vorverlagert. Der
Screening-Umfang wurde ausgeweitet auf den Biotinidase-Mangel, das adrenogenitale Syndrom (AGS) und
durch Einführung der Tandem-Massenspektrometrie auf eine Vielzahl weiterer Stoffwechseldefekte
(neben der PKU). Die Krankenkassen vergüten jetzt alle labormedizinischen Leistungen, die auf
den privaten Sektor übertragen wurden. Um allen Neugeborenen die Teilnahme zu
ermöglichen, werden die Namen der untersuchten gegen die geborenen Kinder durch den
öffentlichen Gesundheitsdienst auf Landkreisebene (Gesundheitsämter) abgeglichen.
Wiederholungsbedürftigen und auffälligen Befunden wird konsequent nachgegangen, bis eine
Erkrankung ausgeschlossen oder bestätigt ist. Zwei klinische „Hotlines” wurden
an den Universitätskinderkliniken in München (Südbayern) und Erlangen (Nordbayern)
eingerichtet. Für die Teilnahme am Programm ist die schriftliche Einwilligung eines
Elternteils erforderlich.
Die Teilnahmerate am neuen Vorsorgeprogramm konnte kontinuierlich
gesteigert werden; seit April liegt sie bei über 95 %. In mehreren Fällen
konnte das Screening bei nicht untersuchten Kindern auf Grund der Kontaktaufnahme mit den Eltern
nachgeholt werden. Das Unterlassen der Untersuchung beruhte in der Regel auf
Missverständnissen bei der Zuständigkeit für die Probenahme oder verlorengegangenen
Proben. Bis August 1999 wurden 87 000 Neugeborene untersucht, bei denen insgesamt 52
Stoffwechselerkrankungen festgestellt wurden. Die Früherkennungsrate von Kindern mit
angeborenen Stoffwechselstörungen konnte damit in etwa verdoppelt werden. Aus dem Bereich der
neu untersuchten Erkrankungen wurden am häufigsten Kinder mit AGS (11 Fälle) erkannt. Die
Tandem-Massenspektrometrie lieferte die Basis für die Diagnose in insgesamt 22 Fällen.
Darunter trat neben der PKU (9 Fälle) der Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase(MCAD)-Mangel (6
Fälle) am häufigsten auf. Während die Kontrollraten für die meisten
Erkrankungen bei < 0,1 % lagen, wies das AGS-Screening noch eine hohe
Kontrollrate, insbesondere bei Frühgeborenen, auf. Die Zweit-Screening-Rate (Erstabnahme <
48 Std) betrug 1,3 %. Kontrollbedürftigen Befunden musste in ca.
20 % der Fälle durch spezielle Kontaktaufnahmen mit Geburtskliniken,
weiterbetreuenden Ärzten, Hebammen oder Eltern nachgegangen werden. Bislang konnte bei allen
erkrankten Kindern rechtzeitig mit der Behandlung begonnen werden.
The Bavarian Newborn Screening Model - Concept and First Results
The
newborn screening programme in Bavaria was confronted with several problems. Number of disorders
and process quality no longer complied with screening guidelines. Mixed financing, distributed
between the state (PKU, galactosaemia) and health insurances (hypothyroidism) had promoted an
increasing dissipation of the system. Notified participation rates had dropped to <
80 %. Increasing need for a second screening due to early discharge was an additional
challenge. To overcome these problems, and considering the availability of improved screening
methodology (tandem mass spectrometry) the programme was reorganised.
The project, which
started on Jan 1, 1999, is based on a cooperation model between laboratory (logistics, analysis),
universities (treatment, scientific evaluation), and public health services (coordination,
tracking). Time of blood sampling was predated to the third day of life. Screening was extended to
biotinidase deficiency, congenital adrenal hyperplasia (CAH) and by introduction of tandem mass
spectrometry for screening of many other disorders (besides PKU). Insurances now finance complete
laboratory analysis which was transferred to the private sector. To enable all newborn to
participate, the names of screened children are matched against birth lists by public health
services on a regional basis. Recalls and conspicuous results are consistently followed up until
disorders are either excluded or confirmed. Two clinical hotlines were established in the
children’s hospitals of the universities in Munich (Southern Bavaria) and in Erlangen
(Northern Bavaria). Written consent is required for participation in the programme.
Participation in the new programme could be continually increased; coverage is
> 95 % since April. In several cases screening was made up for not tested
children by contacting their parents. Omitted screening was mostly due to misunderstandings
regarding testing responsibility or lost samples. Altogether 52 cases of disorder were found in the
87 000 newborn screened until August 1999. Hence, the detection rate of children affected by
inborn errors of metabolism was about twice as high than before changes. Among the newly screened
diseases CAH was detected most often (11 cases). In 22 cases diagnosis was based on the use of
tandem mass spectrometry. Among these (besides PKU, 9 cases) MCAD deficiency (6 cases) was detected
most frequently. Whereas recall rates of most disorders were < 0.1 %,
screening for CAH still revealed a high recall rate, particularly in premature births. Second
screening due to early discharge (< 48 h) was required in 1.3 %. About
20 % of pending recalls required contacting birth hospitals, doctors, midwies or
parents. So far all affected children could be brought to treatment in time.
Key words
Newborn Screening - Inborn Errors of
Metabolism - Tandem Mass Spectrometry - Process Quality